Architektur: Vier Wände für große und kleine Bedürfnisse

Architektur Vier Waende fuer
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Das ist wahrer Luxus: Häuser, die viel Platz zum Spielen und Toben bieten. Und trotzdem auch Rückzugsgebiete haben. Beim Wohnen mit Kindern heißt es erfindungsreich zu sein. Und flexibel.

Vater, Mutter, Kind. Kaum wird aus dem Paar eine Familie, ändert sich vieles. Auch die Wohnbedürfnisse. Aber heißt das, dass man auf moderne architektonische Konzepte – offene Räume, großzügige Verglasungen und Transparenz nach allen Richtungen – verzichten muss? Nein, meinen Architekten und zeigen Ideen und Beispiele, die bei aller Offenheit auch Rückzugsmöglichkeiten bieten: optisch und akustisch flexibel abschließbare Einheiten, die für ein friedliches familiäres Miteinander wichtig sind.

Schieben und schweben

Am einfachsten ist dies, sagt Architekt Stefan Puschmann, durch Schiebeelemente zu bewerkstelligen. In einem Einfamilienhausprojekt in Perchtoldsdorf wurden die drei Kinderzimmer in einer Art Windradsystem angeordnet. Schiebetüren schaffen jeweils eine eigene Zone, so erwünscht. Sie verbinden die drei Einheiten aber auch, wenn man sie öffnet – mit dem Raum davor entsteht eine großzügige Spielfläche.

In einem anderen Projekt nahm Puschmann die Idee des Baumhauses auf: Die Bereiche für die Jüngsten schweben als Holzbox über dem Garten. Ursprünglich wurde sogar an die Installierung einer Zugbrücke in die anderen Hausteile angedacht. Eine Treppe mit Glasbrüstung ist es schlussendlich geworden.

Wider das Kasteldenken

Architekt Zoran Bodrozic plädiert für eine demokratische Lösung: Jeder Raum soll in seiner Grundstruktur für jeden und in jeder Phase des Lebens nutzbar und attraktiv sein, Bad und Garderobe inklusive. „Ich spreche mich gegen das klassische Kinderzimmer-Denken aus.“ Seiner Erfahrung nach hätten sie keineswegs Bedarf an kunterbunten Möbeln, rosa Wänden und geschlossenen Einheiten. Vielmehr seien Bedürfnisse von Groß und Klein recht ähnlich: „Zimmer sehe ich als neutrale Zonen, die die Fantasie und Kreativität anregen – aber nicht durch Vorgegebenes. Und auf großflächige Verglasungen und Offenheit reagieren auch Kinder sehr positiv.“ Glasflächen sind sinnvoll, das weiß auch Puschmann. Nicht zuletzt, wenn es darum geht, dass die Eltern ihre (Klein)Kinder vom Wohnbereich aus im Auge haben können. Werden die Sprösslinge älter, kann das Glas durch Elemente wie Jalousien jederzeit wieder blickdicht gemacht werden. Um akustisch möglichst abgeschlossene Zonen zu schaffen, empfiehlt Puschmann die Platzierung von „Puffern“ wie Badezimmern oder begehbaren Schränken zwischen den einzelnen Räumlichkeiten.

Genau wie das Sehen-und-Gesehen-Werden immer ein Thema ist, sind es auch die Stiegen. Wo diese sich im Entwurfskonzept finden, ist eine Grundsatzfrage. Schließlich liegen Jugendlichen eigene Aufgänge, um unbemerkt in ihre Zimmer zu entschwinden. Soll ein offenes Wohnkonzept verwirklicht werden, müssen dafür zumeist Wohnräume durchquert werden.

Zimmertausch, Garten umgestalten

Egal wie das Haus nun angelegt wird – Großzügigkeit wird im Lebensbereich von Söhnen und Töchtern großgeschrieben. „Das Kinderzimmer ist im Vergleich zum Schlafzimmer der Eltern fast höher zu bewerten“, sagt Puschmann. Schließlich sind die Kleinen nicht nur – wie ihre Eltern zumeist – in den Nachtstunden in den Zimmern, sondern spielen auch untertags oft darin. Daher gönnen die Eltern in vielen Fällen auch den schönsten Blick ins Grüne ihrem Nachwuchs. Und Zimmertauschen, das kann man ja immer noch – spätestens, wenn die Kinder aus dem Haus sind.

Apropos draußen: Der Garten sollte ebenfalls in unterschiedliche Zonen gegliedert werden, die thematische Schwerpunkte wie Spiel und Erholung bieten. Und Flexibilität ist auch hier ein großes Thema – wo einmal die Schaukel stand, da muss sie nicht immer stehen. Architekt Bodrozic etwa hat schon einmal Sandspielplätze zu Feuerstellen für Grillpartys umgewandelt – das macht großen und kleinen Kindern Spaß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2010)

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