Glawischnig: "Bei Korruption hört sich Schmäh auf"

Glawischnig Korruption hoert sich
Glawischnig Korruption hoert sich(c) Michaela Bruckberger
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Politik müsse man mit "Humor nehmen", sonst "ist sie nicht zu ertragen", so Glawischnig. Die Grünen-Chefin wundert sich aber über das Ausmaß an (vermuteter) Korruption und fordert einen Untersuchungsausschuss.

„Die Presse“: Die Grünen scheinen zu einer spaßfreien Partei geworden zu sein. Wann ist Ihnen denn der Humor abhanden gekommen?

Eva Glawischnig: Das sehe ich nicht so. Politik muss man im Gegenteil immer wieder mit Humor nehmen, sonst ist sie nicht zu ertragen – vor allem, wenn man sich die derzeitigen Skandale anschaut.

Trotzdem: Die Grünen wirken honorig, aber auch besserwisserisch.

Glawischnig: Wenn's um Korruption geht, hört sich's für mich tatsächlich auf mit den Schmähs.

Vor einem Jahr haben die Grünen sogar das tägliche Schnitzel angeprangert. Das findet der Durchschnittsösterreicher weniger lustig.

Glawischnig: Das kann ich mir gut vorstellen. Es war trotzdem eine humorvolle Annäherung an den Klimawandel. Und da ist die fleischbestimmte Ernährung sicher ein Thema. Man muss sich nur anschauen, was sich derzeit in Pakistan abspielt. Da sind Millionen an Klimaflüchtlingen Realität. Was wäre gewesen, wenn man den Klimaschutz in den letzten 20 Jahren ernster genommen hätte?

Der grüne Schnitzelbann hätte wohl auch nicht gewirkt.

Glawischnig: Wir versuchen Mauern im Kopf der Menschen einzureißen. Das ist uns auch über viele Jahre im Umweltschutz gelungen.

Haben Sie keine Angst, unter den selbst eingerissenen Mauern begraben zu werden?

Glawischnig: Das ist das Risiko als Überbringer schlechter Nachrichten. Irgendwer muss sich aber mit unpopulären Zukunftsideen befassen.

Leben Sie Ihre Forderungen selbst?

Glawischnig: Ich versuche es, stoße aber wie jeder andere an Grenzen. Die Mühsal, die Kinder öffentlich in den Kindergarten zu bringen und dann in die Arbeit zu fahren, habe ich getestet. Da brauche ich eineinhalb Stunden. Wenn ich die Kinder abliefere, fahre ich mit dem Auto.

Und wie ist das mit dem Schnitzel?

Glawischnig: Ich war 18 Jahre Vegetarierin und habe erst mit der ersten Schwangerschaft wieder begonnen, Fleisch zu essen, weil mein Mann sich so gesorgt hat, dass das Baby ein Hase wird. Meine Fleischaskese hat aber keine ideologischen Gründe, sondern liegt an meiner familiären Gasthaus-Vergangenheit. Jahrelang von Montag bis Sonntag gebackenes Fleisch war irgendwann nicht mehr erträglich. Wenn ich einmal in einer Disco war, haben sich die Leute umgedreht und gesagt: Mmh, da riecht's nach Schnitzel.

Sie haben als Frau an der Spitze der Grünen nach wie vor Ihre Akzeptanzprobleme. Warum ist das so?

Glawischnig: Es gibt schlicht noch keinen vernünftigen Umgang mit Frauen in Spitzenpositionen, keinen Umgang auf Augenhöhe. Manchmal spüre ich eine extreme Aggressivität, dann wieder extreme Herablassung. Und in der „Krone“ ist die These von der erfolglosen Weiberwirtschaft nun einmal beliebt. Ich lasse ihr den Spaß. Dabei haben wir bei den Grünen eine Männerdominanz, vor allem in den Ländern.

Bundespolitisch sonnen sich die Grünen in puncto Parteienfinanzierung im Saubermann-Image. Liegt das daran, dass sie noch nie wirklich an den Trögen der Macht saßen und in Versuchung gerieten?

Glawischnig: So ist es ja nicht. Wir haben Regierungsbeteiligungen und trotzdem eine weiße Weste. Ich habe ja immer geglaubt, der Stillstand in Österreich hat meistens ideologische Gründe. Das war eine völlige Fehleinschätzung. Es ist irrsinnig viel um Geld gegangen. Viele Gesetze kamen zustande oder nicht, weil geschmiert wurde. Beim Glücksspielgesetz kann man das schon mit ziemlicher Sicherheit sagen. Ich war wirklich erschüttert, dass das so geht. Man schiebt einen Patzen Geld rüber und bekommt dafür ein entsprechendes Stimmverhalten einer ganzen Partei.

Ist es so erstaunlich?

Glawischnig: Es stimmt schon, bei uns ist fast alles erlaubt. Du kannst selbst Parteispenden von ausländischen Diktatoren abcashen, ohne dass es einen internationalen Aufschrei gibt.

Auch national scheint der Elan zur Veränderung gering zu sein.

Glawischnig: Wir brauchen dringend einen Untersuchungsausschuss. Das letzte war ja wirklich ein schmutziges Jahrzehnt.

War das Jahrzehnt so viel schlimmer als vorangegangene?

Glawischnig: Unter Schwarz-Blau hat sich die Situation sicher verschlimmert. Wenn es stimmt, dass sich bei jeder Privatisierung ein Netzwerk bereichert hat, ist das mit der Proporzwirtschaft von Rot-Schwarz nicht mehr zu vergleichen. Ich frage mich nur, wie man als Bundeskanzler da über Jahre nichts bemerken kann.

Halten Sie das für unglaubwürdig oder für Unfähigkeit?

Glawischnig: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wolfgang Schüssel unfähig ist. Er ist hochintelligent und wurde von uns immer wieder auf Ungereimtheiten hingewiesen. Über das Verhältnis Grasser-Schüssel waren aber selbst einige in der ÖVP unglücklich.

Muss sich die Opposition nicht vorwerfen lassen, bei der Kontrolle der Regierung selbst versagt zu haben?

Glawischnig: Hätten vor allem die Landtage mehr Oppositionsrechte, sähe das anders aus. Kontrolle wird in Österreich außerdem noch immer als Zumutung und Beleidigung der Mächtigen empfunden und nicht als Reformhilfe.

Die Opposition bietet doch ein trauriges Bild, wenn sie wie diesen Sommer Wochen braucht, um eine einzige Sondersitzung einzubringen.

Glawischnig: Ich frage mich auch, warum bei der FPÖ niemand handlungsfähig ist, wenn Strache auf Ibiza sitzt.

Über den geplanten Misstrauensantrag gegen den Finanzminister kann der aber auch nur lachen.

Glawischnig: Das mag schon sein. Die Bürger, die ihre Steuererklärungen alle gnadenlos pünktlich abgeben müssen, werden jedoch nur wenig Verständnis haben, dass der Finanzminister just seine Pflicht zur rechtzeitigen Vorlage eines Budgets nicht erfüllt. Wenn das alle machen, haben wir bei uns bald eine Steuermoral schlimmer als in Griechenland.

Die Regierung ist also schlicht faul?

Glawischnig: In jedem Fall legt sie mehr Eifer an den Tag, sich gegenseitig ein Haxl zu stellen.

Wo würden denn die Grünen sparen, wo neue Steuern einführen?

Glawischnig: Es gibt eine Reihe von Steuerprivilegien, wo man ansetzen kann. Bei jenen Gehaltsbestandteilen, die über 100.000 Euro jährlich liegen, kann man sich sicher das Privileg beim 13./14. Gehalt anschauen. Das würde nur ganz wenige und die nicht wirklich treffen. Im Gegenzug sind Begünstigungen zu durchleuchten – von den Agrarförderungen über Privilegien bei Privatstiftungen bis zur Hacklerregelung.

Wie erholen Sie sich eigentlich von der Politik?

Glawischnig: Mit zwei kleinen Kindern, vier Jahre und 13 Monate alt, nur schwer. Das ist schon eine Herausforderung. Ich versuche, das Arbeiten auf den Tag zu verteilen. Außerdem will ich mit meinen Kindern jeden Tag qualitativ Zeit verbringen, für sie aktiv da sein. Das heißt bei zwei Burschen, in erster Linie herumzutoben. Das ist anstrengend, macht aber den Kopf total frei und holt einen zurück in die Realität.

AUF EINEN BLICK

Das Ausmaß der Korruption in Österreich erschüttert Grünen-Chefin Eva Glawischnig. „Man schiebt einen Patzen Geld rüber und bekommt das Stimmverhalten einer ganzen Partei“, sagt sie im „Presse“-Interview und fordert einen Untersuchungsausschuss. Sie erzählt, warum sie Vegetarierin war, wie viel Humor Politik verträgt und wie sie sich privat erholt. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21. August 2010)

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