Frauen ziehen sich vom Arbeitsmarkt zurück, um sich den Kindern zu widmen. Volkswirtschaftlich ist das ein fataler Fehler.
Economist

Weibliches Kapital – eine Verschwendung

Berufstätige Frauen sind der verlässliche Antrieb des Wirtschaftswachstums. Bleiben sie zu Hause, sind nicht nur sie die Verliererinnen, sondern auch die Länder, in denen sie leben. Leider tun viele inmitten einer Rezession genau das. Dabei gibt es einfache Lösungen.

Die Länder, in denen Frauen am meisten in den Arbeitsmarkt integriert sind, weisen die höchsten Pro-Kopf-Einkommen auf. Umgekehrt sind die Länder, wo mehrheitlich Frauen zu Hause unbezahlt arbeiten, auch die ärmsten. Würden weltweit mehr Frauen arbeiten, nähmen sie Männern nicht etwa die Arbeit weg, wie von Männern oft befürchtet, sondern würden mehr Wohlstand erwirtschaften, sagt Linda Scott. Die Wirtschaftsprofessorin an der Universität Oxford lässt sich in ihrem Buch „Das weibliche Kapital“ von der Frage leiten, warum die Politik nicht schon längst bessere Bedingungen für Frauen geschaffen hat, obwohl sie mit der Überwindung der Armut schon viel weiter wäre, wenn überall auf der Welt mehr Frauen berufstätig wären. Dennoch: 99 Prozent des grenzüberschreitenden Handels werden von Firmen abgewickelt, die in Männerhand sind.

Scott trägt viele Gründe dafür zusammen. Nicht nur die Politik hat Schuld. Kulturelle und gesellschaftliche Faktoren spielen eine Rolle, und vor allem jede Menge Vorurteile. So traue man Frauen immer noch nicht zu, gut rechnen oder wirtschaften zu können. Dabei gebe es „keine leistungsbasierenden oder neurowissenschaftlichen Beweise“ für diese Annahme. „Keine. Null.“

Chauvinistische Bräuche halten Frauen zurück. Linda Scott hat neben ihrer Lehrtätigkeit in den vergangenen Jahrzehnten an vielen Projekten in Afrika und Asien gearbeitet, die Frauen zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit verhelfen wollen. Scotts Schilderungen zum Umgang mit Witwen in einigen afrikanischen Ländern gehen einem besonders nahe. Sie müssen einen Verwandten des verstorbenen Ehemanns heiraten, wenn sie nicht mit ihren Kindern verhungern wollen. Arbeitsstellen sind knapp und Männern vorbehalten. Das Erbe steht ihnen nicht zu. In Uganda hat Scott vielfach die sogenannte Witwenreinigung angetroffen. Ein meist sozial ausgestoßener Mann vergewaltigt die Witwe. Sein Sperma, so die Vorstellung, entfernt den Geist des Ehemanns aus der Witwe und reinigt sie so, dass sie für ihren neuen Mann akzeptabel ist, schreibt sie.

Gebräuche wie diese zeigen, dass Frauen auch im 21. Jahrhundert vor allem in armen Teilen der Welt noch wie Sklavinnen leben. Dabei rühmt sich die Entwicklungspolitik, Frauenrechte bei der Mittelvergabe zu berücksichtigen. Doch nur selten würden Frauen selbst gefragt, ob die Hilfen ihnen wirklich nützen. Es sind Männer, die die politischen Abkommen schließen.

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