Coronavirus

Auch Anschober geht in der Nacht hinaus

CORONAVIRUS: PK GESUNDHEITSMINISTERIUM 'AKTUELLE LAGE': KOLLARITSCH / ANSCHOBER
CORONAVIRUS: PK GESUNDHEITSMINISTERIUM 'AKTUELLE LAGE': KOLLARITSCH / ANSCHOBERAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der Gesundheitsminister erklärte die Notwendigkeit der strengen Maßnahmen. Die Zahlen seien „explodiert“, man habe die „Notbremse ziehen müssen.“ Vollständig zu Hause verkriechen solle man sich aber nicht.

Es ist nicht nur etwas mehr als eine Woche her, als Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) davon sprach, man müsse „alles tun“, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. Dieser ist nun doch schneller da als gewollt. Ab morgigen Dienstag werden Teile Österreichs wieder auf Sparflamme gesetzt - inklusive drastischer Maßnahmen im privaten Bereich.

Den Grund für das schnelle Umschwenken erklärte Gesundheitsminister Anschober Montagvormittag erneut bei einer Pressekonferenz. „Bis zum 20. Oktober sind unsere Prognosen eingetreten“. Aber dann seien die Zahlen in ganz Europa sowie in Österreich „explodiert“ und „dramatisch nach oben gegangen. Als er vergangenen Dienstagabend die aktuellen Prognosen auf den Tisch bekommen habe, habe er gewusst, man müsse „die Notbremse ziehen“. Denn dann würde es in der zweiten Novemberhälfte zu „großen Problemen auf den Intensivstationen kommen“.

Am heutigen Montag wurden 4135 Neuinfektionen gemeldet. Obwohl deutlich weniger als in den vergangenen Tagen, sei das noch „keine Entspannung“, sagte Anschober, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach der „Sonntagseffekt“, also weniger Meldungen aufgrund des Wochenendes. Im Spital befinden sich 2261 Patienten, ein Plus von 213 Personen im Vergleich zu gestern, „was bedenklich ist.“ Die Zahl der Intensivpatienten stieg auf 336, 45 mehr als noch am Sonntag. Binnen einer Woche habe es also einen Anstieg um 62 Prozent bei den Covid-19-Patienten in den Spitälern gegeben. Auf den Intensivstationen machte das Plus sogar 78 Prozent aus.

Anschober geht davon aus, dass die Zahlen in dieser Woche noch deutlich steigen. Die Maßnahmen würden bestenfalls erst innerhalb von 14 Tagen wirken. Vorausgesetzt sie werden auch eingehalten.

Anschober geht auch in der Nacht hinaus

Der Gesundheitsminister richtete wieder einmal einen Appell an die Bevölkerung: „Wir brauchen euch. Wir stehen vor einer Weichenstellung." Er sei sich bewusst, dass die neuen Regeln einiges abverlangen würden, sie seien aber „alternativlos in dieser Situation.“ Man habe dies im Frühling schon einmal geschafft, „wir können das auch ein zweites Mal“.

Zu den Ausgangsbeschränkungen meinte Anschober, es sei „selbstverständlich“ möglich, auch nach 20 Uhr das Haus zu verlassen, um in einem Park frische Luft zu schnappen, oder joggen zu gehen. „Ich habe untertags auch keine Zeit, ich mach das auch in der Nacht.“ Bewegung sei enorm wichtig, und sich vollständig zurückzuziehen, sei nicht zu empfehlen. Schließlich stelle die gegenwärtige Krise für viele eine enorme psychische Belastung dar. Psychosoziale Hilfe wolle er gegenwärtig deswegen auch verstärken.

„Über die kühle Saison retten"

Verschiedene Experten unterstützten den Gesundheitsminister bei der Pressekonferenz in der Argumentation, warum diese Maßnahmen nun so wichtig seien. Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GesmbH, warnte davor, dass "unser Gesundheitssystem relativ rasch an seine Kapazitätsgrenzen stoßen“ werde, sollten die Neuinfektionen und die effektive Reproduktionszahl - die derzeit bei 1,4 in Österreich liegt - nicht gedrückt werden.

Dem Infektiologen Herwig Kollaritsch zufolge werde das Infektionsgeschehen wohl auch in nächsten Monaten in Wellenbewegung so weitergehen. Man müsse sich so gut wie möglich „über die kühle Saison hinüberretten.“ Denn auch wenn die Maßnahmen manche Kollateralschäden auslösen würden, „sie sind alternativlos.“ Das es erfolgreich sein könne, sehe man etwa derzeit an Israel, wo ein Lockdown das Infektionsgeschehen deutlich gedrückt habe.

Auch mit einer fertigen Impfung „ist das Thema nicht erledigt“, sagte Kollaritsch. Hier gebe es noch zu viele Fragezeichen, etwa die dann tatsächlich verfügbare Menge an Impfstoffen, und wie dieser tatsächlich wirken werde. Denn es gebe Impfstoffe, die vor einer Erkrankung nicht vollständig schützen, sondern diese nur abmildern, oder andere, die eine Ansteckung vollständig blockieren. Eine hundertprozentige Effektivität „wird nicht wahrscheinlich sein.“ Dennoch werde ein Impfstoff „etwas von der Last nehmen“, „bis wir irgendwann sagen können: 'Brand aus'."

Keine Ansteckungen im Spital

Der Intensivmediziner Klaus Markstaller sprach von der Wichtigkeit, die  Intensivkapazitäten freizuhalten. Nicht nur jene der Betten, von denen Österreich vergleichsweise viele habe mit 30 Betten pro 100.000 Einwohnern. „Das Problem ist die Expertise.“ Ausgebildetes Personal lasse sich „nicht innerhalb von ein paar Monaten dramatisch steigern.“ Das sei der Punkt, „wo wir Ihre Hilfe brauchen.“ Man werde in der Lage sein, diesen aktuellen Höhepunkt und eine Triage abzufangen, aber nur, wenn die Maßnahmen eingehalten würden.

Gleichzeitig versicherte er, dass Menschen weiterhin ins Spital gehen sollen, um sich behandeln zu lassen. Ein Krankenhaus sei ein sicherer Ort, „wir hatten im Sommer überhaupt keine Ansteckungen beim Personal.“ Wenn, dann hätten sich Menschen im Privatbereich angesteckt.

Hoffnung auf „gute Weihnachten"

Die Virologin von der MedUni Wien, Monika Redlberger-Fritz, meinte, dass die derzeitige Situation schwieriger zu bewältigen sei als noch im Frühling. Damals sei das Level der Infektionen grundsätzlich niedriger gewesen als jetzt. Es gebe eine gewissen Grundzirkulation der Viren. Den exponentiellen Anstieg der Infektionen konnte sie bei Stichproben unter Patienten, die aufgrund eines  respiratorischen Infekts behandelt wurden, deutlich erkennen. Im Frühjahr seien 5 von 100 untersuchten Patienten Corona-positiv gewesen. „In der vorletzten Woche waren wir bei 20 von 100, in der letzten Woche bei 40 von 100."

Die Virologin gab auch Grund zur Hoffnung: Je gründlicher sich alle an die Maßnahmen halten, „desto schneller sind sie wieder gelockert“. Dann könne man im Dezember schon wieder bessere Sozialkontake pflegen, und „gute Weihnachten miteinander verbringen“.

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