Joe Bidens langer Weg ins Weiße Haus

Joe Biden, der am 20. November 78 Jahre alt wird, stammt aus einer katholischen Arbeiterfamilie. 1973 zog er erstmals in den Senat ein - als fünftjüngstes Mitglied dieser Kammer in der US-Geschichte. Eigene Präsidentschaftsambitionen scheiterten später aber gleich zwei Mal. Jetzt hat er es geschafft.
Im Bild: Biden im Jahr 1993, damals als Senator mit zwanzig Jahren Berufserfahrung im Gespräch mit dem damaligen bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic in Sarajewo.

Im Lauf seiner fast 50-jährigen Karriere, in 36 Jahren als Senator und acht Jahren als Vizepräsident, hat Biden, der sich als Schüler das Stottern durch Sprechübungen vor dem Spiegel abgewöhnt hatte, Abertausende Ansprachen gehalten. Ein mitreißender Redner und elektrisierender Wahlkämpfer ist er nie geworden. Im Präsidentschaftswahlkampf 1988 hatte er in Iowa sogar einmal eine Rede stellenweise plagiiert – die des britischen Labour-Chefs Neil Kinnock.
Im Bild: US-Delegation beim Nato-Erweiterungsgipfel mit Senator Biden (li.) und dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton (Mitte) im Jahr 1997.

Politische Erfahrung und Routine als Krisenmanager sind dem Veteranen nicht abzusprechen: Als langjähriger Senator ist der irischstämmige Katholik, dessen politisches Interesse während der Kennedy-Ära erwachte, auf vielen Gebieten versiert – insbesondere in der Außenpolitik. Biden kennt die Welt, war Stammgast auf der Münchner Sicherheitskonferenz und bereiste die Kriegsgebiete von Afrika bis Afghanistan.
Ein Bild aus dem Oktober 1999 vor einer Senatsabstimmung über den Bann von Nukleartests.

In manchen Fragen lag er freilich falsch, etwa beim Irak-Krieg 2003 oder der Kommandoaktion gegen Osama bin Laden 2011. Das politische Handwerk muss er indes nicht erst erlernen wie ein Newcomer: Nie wohl war ein Kandidat besser gerüstet für den Job im Oval Office.
Im Bild: Der damalige ägyptische Präsident Hosni Moubarak im Gespräch mit Senator Biden.

Privat erlitt Biden schwere Schicksalsschläge. Seine erste Frau und die einjährige Tochter starben 1972 bei einem Autounfall. Seine zwei kleinen Söhne wurden schwer verletzt. Er zog sie zunächst alleine auf, 1977 heiratete er dann die Pädagogin Jill Jacobs. 1988 überstand Biden eine lebensgefährliche Gefäßerweiterung im Gehirn.
Im Bild ein Treffen als Senator mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Jänner 2004.

Der Demokrat mit dem weißen Haarschopf und den blendend weißen Zähnen verfügt vor allem über einen Schatz an Kenntnissen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Das unterscheidet ihn besonders krass vom republikanischen Vizekandidaten Ryan. In seinen 36 Jahren im US-Senat hatte Biden prägende Funktionen im Justiz- und im Auswärtigen Ausschuss, zudem bereiste er Dutzende Länder.
Im Bild gemeinsam mit seinem Senatoren-Kollegen aus Massachussets, John Kerry, im Jänner 2005.

Mehrmals wagte sich Biden an eine Präsidentschaftskandidatur, doch erst im dritten Anlauf gelang es ihm, die Demokraten hinter sich zu vereinen.
Im Bild mit Senatorin Hillary Clinton vor einer Kongressrede des damaligen US-Präsidenten George W. Bush. Clinton und Biden unterlagen 2008 Barack Obama im Vorwahlkampf der Demokraten.

Im Jänner 2007 erklärte Biden, für die Demokraten zur Präsidentschaftswahl 2008 anzutreten. Seine Gegner damals unter anderem: Barack Obama, Chris Dodd, John Edwards, Dennis Kucinich (v.li.). Hier bei einer Debatte im April 2007.

Schon damals hieß es, er verstehe sich gut mit Barack Obama, der sich schließlich auch durchsetzte und Biden zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten machte.

Mit Joe Biden an seiner Seite setzt Obama vor allem auf Erfahrung. Müsste Biden im Fall der Fälle Obamas Rolle als Staatschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte übernehmen, wäre er nach Jahrzehnten im Politikgeschäft gut darauf vorbereitet. Hatten die beiden bereits als Senatoren ein enges Vertrauensverhältnis, hat sich der gegenseitige Respekt im Laufe der Zeit noch verstärkt.

Obama betraute seinen Vize mit heiklen Aufgaben, unter anderem mit Verhandlungen zur Gesundheitsreform. Wegen seiner Vernetzung und seines Drahts zu republikanischen Senatoren galt er als wichtigster Verbindungsmann in den Kongress. Daraus leitet sich die vage Hoffnung für Versöhnung über die Parteigrenzen ab.

Jill Biden (im Bild mit Michelle Obama im Wahlkampf 2008) ist die zweite Ehefrau des früheren Vizepräsidenten. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Ashley Blazer.

Bidens jüngerer Sohn Hunter (im Bild bei einer Wahlveranstaltung im Jahr 2008) lebte in er Vergangenheit unstet, inzwischen spricht er öffentlich über seine Suchtproblematik. Problematisch wurde für Joe Biden, dass Hunter über Jahre hinweg einen hoch dotierten Posten bei einer skandalumwitterten Gasfirma in der Ukraine innehatte. Die Republikaner versuchen, Joe Biden deswegen das Leben schwer zu machen. Trump wirft Biden vor, als Vizepräsident versucht zu haben, seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Mittlerweile lebt Hunter Biden als Künstler in Kalifornien.

In seinem ersten Wahlkampf als Vizepräsidentschaftskandidat war seine Gegenkandidatin Sarah Palin - hier ein Bild von einer Debatte im Spätsommer 2008.

Der erste Einzug ins Weiße Haus gelang Biden und Obama im November 2008. Sie sollten für acht Jahre die Geschicke der USA von dort aus lenken.

Am 20. Jänner 2009 wurde Biden als Vizepräsident der USA angelobt. Zwölf Jahre später ist nun sein Ziel, als Präsident ins Weiße Haus zurückzukehren.

Biden will das Land "zurück zur Normalität" führen und zusammenbringen. Er beschwört die alten Zeiten, als Obama und er im Weißen Haus waren und die USA bei Verbündeten als berechenbarer Partner galten. "Das Erste, was ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen, dass Amerika wieder da ist, Sie können auf uns zählen", sagte Biden kürzlich. "Ich werde ein Präsident sein, der unseren Verbündeten und Freunden zur Seite steht", sagte er an anderer Stelle. "Ich werde unseren Gegnern deutlich machen, dass die Zeiten des Einschmeichelns bei Diktatoren vorbei sind."