Deadstock

Mode aus Stoffresten: Aus der Not eine Tugend

Durchdacht. Deadstock-Couture des Niederländers Ronald van der Kemp.
Durchdacht. Deadstock-Couture des Niederländers Ronald van der Kemp.Marijke Aerden
  • Drucken

Einst dachte man bei der Verarbeitung von Stoffresten an Mangel und Krisenzeit. Heute sehen Designer darin eine Chance, nachhaltig und innovativ zu sein.

Die französische Modedesignerin Marine Serre hat schon in ihrer Studienzeit Vintagestoffe gesammelt. Heute besteht ihre Kollektion zu 50 Prozent aus Stoffresten und Ladenhütern – sogenanntem Dead­stock. Ein Beispiel dafür ist eine gemusterte Plüschdecke aus den 1970er-Jahren, aus der sie ein Abendkleid nähte. Durch die Rekontextualisierung dieses Massenprodukts bricht sie mit den tradierten Vorstellungen von Couture. Zugleich sind die Plüschdecken eine Anspielung auf die industrielle Überproduktion. In ihrer aktuellen Herbstkollektion erzählt sie von einer brennenden Welt, wie wir sie vor wenigen Monaten in Australien gesehen haben, später an der US-Westküste: Das für Serre typische Logo – ein Halbmond – wirkt wie von der Hitze zerstört; die Denims sehen aus, als wären sie vor den Flammen gerettet worden. Sie selbst nennt ihre Strategie Ökofuturismus. Die Botschaft der 29-Jährigen: Eine positive Zukunft ist möglich, wenn man sie nur gestaltet. Dieser gesellschaftskritische Zugang zu Modedesign hat sie innerhalb von drei Jahren zum Star gemacht.

Unweigerlich Unikate

Die Verwendung von Deadstock war bisher untrennbar mit Krisenzeiten verbunden. Im Krieg musste oft ein Vorhang als Stoff für ein Hochzeitskleid herhalten. In einer Zeit der Überproduktion ist die Praxis zum politischen Statement geworden. Ein früher zeitgenössischer Protagonist war der Künstler und Modedesigner, der nur mit dem Pseudonym Dr. Noki ­firmiert. Er begann in der Technokultur der 1990er-Jahre mit dem Zerschneiden von gebrauchter Markenkleidung. Dabei veränderte er nicht nur das Design, sondern auch die Markennamen und setzte diese in einen neuen Kontext. Zum Beispiel verkürzte er Adidas zu Aids und reagierte so auf die globalen Marken, welche die Technokultur mit ihrer Fast Fashion kommerziell ausbeuteten und doch nur Design um des Designs willen machen. In einem Interview sagte er: „Es ist der Versuch, die Verbraucher dazu zu verleiten, für etwas Geld auszugeben, das schon einmal da war.“ Die beste Form von Mode ist für Dr. Noki nachhaltige Couture, und diese Haltung demonstriert er mittlerweile durch Kooperationen mit der Luxusmodeindustrie. Zuletzt lancierte er mit dem britischen Onlineshop Matches Fashion eine eigene Kapselkollektion.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.