Interview

„Das Burgenland wird die heimischen Betriebe nicht im Regen stehen lassen“

Die Presse
  • Drucken

SPÖ-Landeshauptmann Doskozil fordert vom Bund Kostenersatz, sorgt mit seinem Kampf gegen Immobilienspekulanten für Wirbel und hält an 1700 Euro Mindestlohn fest.

Herr Landeshauptmann, die Länder fordern vom Bund, dass dieser ihre Kosten für Covid-19 übernimmt. Wie stark trifft diese Pandemie die burgenländischen Landesfinanzen? Wo muss der Bund Ihrer Meinung nach einspringen?

Hans Peter Doskozil: Es gibt noch keine verlässliche Planungsgrundlage – aber die derzeit vorliegenden Prognosen gehen für das Burgenland allein heuer von einem Ausfall bei den Ertragsanteilen von mehr als 80 Millionen Euro aus. Gleichzeitig haben wir ein umfassendes Hilfspaket für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Tourismus und Kultur geschnürt, weil die Maßnahmen des Bundes bei Weitem nicht ausreichen. Auch dieses muss natürlich finanziert werden und führt zu erheblichen Mehrkosten für das Land. Speziell bei der Finanzierung Covid-19-bedingter Zusatzkosten im Gesundheitswesen gibt es von Bundesseite derzeit – trotz klaren Rechtsanspruchs der Bundesländer und geltender Kostentragungsregeln – keine ausreichenden Kompensationszusagen. Das Land war für Maßnahmen wie Schutzausrüstung, Labortests, Notkrankenanstalten, Screening-Teams oder generell höheren Personalbedarf bisher mit gravierenden Ausgaben konfrontiert. Auch für das Budget 2021 ist allein für den Gesundheitsbereich von Zusatzkosten von rund acht Millionen Euro auszugehen. Der Bund darf sich nicht abputzen. Wir erwarten, dass er seiner Verantwortung nachkommt und diese Kosten zur Gänze übernimmt – immerhin liegt eine klare Zuständigkeit vor.

Das Land Burgenland hat eine „Corona-Versicherung“ für Urlauber eingeführt und bietet auch ein 75-Euro-Bonusticket für Gäste. So sehr die Tourismuswirtschaft auch leidet: Ist es in Anbetracht der steigenden Infektionszahlen politisch opportun, Urlaubsreisen zu subventionieren?

Die Pandemie wird uns sicherlich noch länger begleiten und wir müssen lernen, mit dem Coronavirus umzugehen. Es braucht gezielte Maßnahmen, bewusste Eigenverantwortung sowie den Schutz der Risikogruppen. Wenn wir das gesellschaftliche Leben wieder auf null reduzieren, wird es noch mehr Insolvenzen und Arbeitslose geben, und das können wir einfach nicht verantworten. Das Burgenland wird die heimischen Betriebe nicht im Regen stehen lassen. Gerade durch die Corona-Versicherung ermöglichen wir den Urlaubern, kostenfrei zu stornieren, und geben dem Tourismus finanziell eine Absicherung. Mit dem Bonusticket haben wir es sogar geschafft, den Tourismus in den Sommermonaten zu stärken. Im September konnte ein Nächtigungsplus von 22,5 Prozent verzeichnet werden. Bislang gibt es keinen Covid-Fall, der auf einen Urlaub im Burgenland zurückzuführen ist. Vor allem deswegen, weil sich sowohl die Betriebe als auch die Gäste an die Maßnahmen halten und vorsichtig sind.

Für Diskussion sorgte Ihr Vorstoß zur Bekämpfung der stark steigenden Immobilienpreise. Die geplante Novelle des Raumordnungsgesetzes sieht etwa eine Baulandmobilisierungsabgabe vor. Das ist de facto eine Strafsteuer für jene, die Bauland nicht bebauen. Wo orten Sie Fehlentwicklungen im Immobilienbereich?

Aus unserer Sicht ist die Stoßrichtung des Landes absolut richtig und auch notwendig. Wir wollen das spekulative Horten von unbebautem Bauland unterbinden, so wie das auch andere Bundesländer tun. Um soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten, wird es Ausnahmen für Kinder und auch Enkelkinder geben. Unser Ziel ist, Bauland für die Burgenländerinnen und Burgenländer günstiger und das Wohnen leistbarer zu machen. Während die einen die Vertreter der Spekulanten sind, sind wir die Vertreter junger Familien.

Sie haben im Burgenland für öffentlich Bedienstete 1700 Euro Mindestlohn eingeführt. Wie argumentieren Sie diesen Schritt gegenüber einem Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, der in Kurzarbeit ist und um seinen Job bangt?

Man muss sich schon die Frage stellen, was der Mindestlohn für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet und welche positiven Entwicklungen daraus resultieren. Schließlich ist er eine wichtige wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahme, die einerseits die Kaufkraft stärkt und damit die regionale Wirtschaft ankurbelt – andererseits werden dadurch Menschen motiviert, Arbeitsplätze anzunehmen, die bisher aufgrund der schlechten Bezahlung nicht attraktiv genug waren. Faktum ist, die Löhne sind in den letzten Jahren nicht annähernd so gestiegen wie Lebenshaltungskosten oder Vermögen. Das Burgenland möchte also mit gutem Beispiel vorangehen und Vorreiter für die Privatwirtschaft sein. Mir ist auch bewusst, dass die Umsetzung in kleineren Betrieben nicht von heute auf morgen geht und es einer Entlastungen auf steuerlicher Seite bedarf. Ich finde, zehn Euro netto pro Stunde muss jede ordentliche Arbeit wert sein – das ist eine Frage der Fairness.

Experten rechnen mit weiter steigender Arbeitslosigkeit in Österreich. Wie schätzen Sie die Situation auf dem burgenländischen Arbeitsmarkt ein, wo setzt das Land hier Impulse für Beschäftigung?

Die Coronapandemie stellt uns vor eine große arbeitsmarktpolitische Herausforderung. Wir müssen für die Menschen im Land da sein, hier stehen Familien vor Existenzproblemen. Deshalb haben wir im Burgenland gemeinsam mit dem AMS eine Insolvenz-Arbeitsstiftung ins Leben gerufen. Damit wollen wir allen Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, eine Perspektive geben und unterstützen sie sowohl organisatorisch als auch finanziell bei Aus- und Weiterbildungen, um auf dem Arbeitsmarkt rasch wieder Fuß fassen zu können. Auch mit dem Burgenland-Bonusticket und dem Handwerkerbonus unterstützen wir die heimischen Betriebe sowie deren Zulieferer und sichern somit Arbeitsplätze. Die Maßnahmen machen sich jedenfalls bezahlt: Das Burgenland ist österreichweit das einzige Bundesland, das im September 2020 einen Anstieg der Beschäftigungszahlen (+0,85 Prozent, Anm.) verzeichnen konnte.

Das Land Burgenland hat Stipendien für Medizinstudenten vergeben, um so die Versorgung zu sichern. Sind ländliche Regionen für Spitzenkräfte so unattraktiv geworden?

Ja, das Burgenland hat ein ganzheitliches Maßnahmenpaket geschnürt. Durch die Kooperation mit der Danube Private University haben kürzlich sechs burgenländische Studenten ein Stipendium erhalten und diese werden nach dem Medizinstudium als Ärzte im Burgenland arbeiten. Damit sind bereits zwölf angehende Mediziner im Rahmen dieses Modells in Ausbildung. Auch im nächsten Jahr werden wir wieder Burgenland-Stipendien vergeben. Das ist langfristig eine nachhaltige Maßnahme zur Absicherung der ärztlichen Versorgung und ein Meilenstein der burgenländischen Gesundheitspolitik. Zudem wollen wir mithilfe von Vorbereitungskursen für den Aufnahmetest zum Medizinstudium oder einer Ordinationsförderung eine flächendeckende und wohnortnahe medizinische Versorgung auf qualitativ hohem Niveau zur Verfügung stellen.

Welche Lehren ziehen Sie persönlich aus dem Finanzdebakel der Commerzialbank? Abgesehen vom Versagen der Kontrollorgane: Welche politischen Sensorien müssen geschärft werden, um Ähnliches künftig zu vermeiden?

Ich frage mich, wie dieser Skandal so lang unentdeckt bleiben konnte. Denn bereits 2015 wurde eine detaillierte Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eingebracht und 2018 gegen ein prominentes Aufsichtsratsmitglied ermittelt, weil diese Person Scheinrechnungen in der Höhe von mehr als zehn Millionen Euro gelegt hatte und das auch zugab. Die Kontrolle hat hier anscheinend sowohl auf der Ebene des Aufsichtsrates und der Wirtschaftsprüfer als auch bei den zuständigen Instanzen auf Bundesebene versagt. Menschen wurden bewusst getäuscht und hinters Licht geführt und das Vertrauen der Sparer und Einleger wurde schamlos ausgenutzt. Ich bin der Ansicht, dass der U-Ausschuss auf Landesebene nicht die gewünschte Aufklärung bringen wird. Es muss geklärt werden, warum und in welchem Ausmaß die zuständigen Kontrollinstanzen auf Bundesebene – FMA, Nationalbank, Staatsanwaltschaft und Finanzamt – versagt haben.

Gibt es für Sie Dinge in dieser Krise, die dennoch Mut machen und für Zuversicht sorgen?

Ja, es ist das Engagement der Österreicherinnen und Österreicher, die auf allen Ebenen – sei es im Gesundheitswesen, sei es in der Versorgung oder im Bildungsbereich – großartige Arbeit leisten und unser System in dieser schwierigen Zeit am Laufen halten. Ihnen gebührt großer Dank! Es ist aber auch der Zusammenhalt, den Österreich in Krisenzeiten immer bewiesen hat. Auch wenn die zukünftigen Entwicklungen ungewiss sind und diese Unsicherheit uns müde macht, ist es gerade jetzt wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen und füreinander da sind.

Für heute in einem Jahr würde ich mir wünschen . . .

. . . dass ein wirksamer Impfstoff entwickelt worden und für die Bevölkerung in ausreichender Zahl verfügbar ist und wir die Krise Schritt für Schritt hinter uns lassen können.

Information:

Landeshauptmann Doskozil regiert das Burgenland mit absoluter Mehrheit. Seine wirtschaftspolitischen Maßnahmen gelten als unorthodox und stoßen nicht überall auf Zustimmung. Mit einer Novelle zum Raumordnungsgesetz will er „Spekulanten“ einen Riegel vorschieben, 1700 Euro netto Mindestlohn für Landesbedienstete sorgt für Wirbel. Das Land zahlt Medizinstudenten das Studium, wenn sich diese verpflichten, später im Burgenland eine Praxis zu eröffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2020)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.