Finanzmärkte

US-Wahlchaos verschreckt Anleger - "Alptraum wird wahr"

APA/AFP/PHILIP FONG
  • Drucken

Das Wahlchaos in den USA führt zu heftigen Marktturbulenzen an Europas Börsen.

„Wir erleben, wie eine Alptraumsituation wahr wird, denn jetzt geht es um juristische Kämpfe", sagte Analyst Naeem Aslam vom Brokerhaus Avatrade. Obwohl aus vielen wichtigen US-Bundesstaaten noch keine endgültigen Ergebnisse vorlagen, erklärte sich US-Präsident Donald Trump zum Wahlsieger, ohne dafür Belege zu liefern. Zugleich sprach Trump von Betrug an den Wählern und kündigte an, vor den Obersten Gerichtshof ziehen zu wollen.

In Frankfurt gab der DAX am Mittwochvormittag zeitweise um bis zu 2,0 Prozent auf 11.848 Punkte nach. Der heimische ATX drehte am Vormittag nach einem schwachen Auftakt kurzzeitig in die Gewinnzone, ehe es kurz vor Mittag wieder leicht auf 2.141 Zähler abwärtsging. Der EuroStoxx50 verlor in der Spitze 1,8 Prozent auf 3.043 Punkte. Im Handelsverlauf machte der Index die Verluste aber wieder wett und drehte zeitweise ins Plus.

Hatten die Anleger im Vorfeld der US-Wahlen noch überwiegend auf einen Sieg des demokratischen Herausforderers Joe Biden gesetzt, wetteten Börsianer nun zunehmend auf eine zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Die Stimmung kippte vor allem, als Trump den Sieg in Florida für sich verbuchte. Auch in anderen wichtigen Swing States, die mal republikanisch, mal demokratisch wählen, fiel das Kopf-an-Kopf-Rennen viel enger aus als in Umfragen vorhergesagt. "Jetzt ist genau das passiert, was im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl so ganz und gar nicht das Wunsch-Szenario der Börsen war", sagte Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets.

Die Unsicherheit führte zu wilden Marktschwankungen. Vor allem bei den US-Aktienfutures ging es auf Berg- und Talfahrt. "Die Märkte werden auf jede noch so kleine Nachricht überreagieren", sagte der Chefökonom der AXA-Gruppe, Gilles Moec, in London. Dies betreffe vor allem jede Aussage über mögliche Rechtsstreitigkeiten. Auch der Dollar ging auf Achterbahnfahrt. Anfängliche Verluste glich er im Handelsverlauf wieder aus, so dass er gegenüber einem Währungskorb rund ein Prozent auf 93,9 Punkte zulegte. Euro und Pfund gaben dagegen zeitweise kräftig nach.

Einige Investoren sahen eine mögliche zweite Amtszeit von Trump als günstigstes Szenario für den Aktienmarkt an. In den USA legten vor allem Technologieaktien zu. Von einer zweiten Amtszeit des Republikaners dürften vor allem die Techwerte profitieren, sagte Andrew Brenner, Analyst bei NatAlliance Securities. Unter einem Präsidenten Biden dürften sie sich deutlich schlechter entwickeln, unter anderem weil die Demokraten die Branche in Anhörungen kritisiert hatten und weil höhere Unternehmenssteuern die Firmen zu belasten drohten.

Eine wochenlange Hängepartie wurde allgemein als ungünstigstes Szenario für die Märkte angesehen. Der weiterhin ungewisse Ausgang trieb Anleger in die als sicher geltenden Staatsanleihen. Die Rendite der US-Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren sank im Gegenzug auf 0,766 Prozent und lag damit so niedrig wie seit gut fünf Monaten nicht mehr. Auch europäische Papiere waren gefragt. Die Rendite der deutschen Titel sank auf minus 0,671 Prozent, das ist so niedrig wie seit dem Höhepunkt der ersten Coronawelle Mitte März nicht mehr.

Bankwerte unter Druck

Das Chaos bei den Wahlen setzte in Europa insbesondere Bankwerte unter Druck. Der entsprechende Index verlor bis zu 3,6 Prozent und führte damit die Verluste am pan-europäischen Stoxx 600 an. Die Analysten der Deutschen Bank äußerten die Befürchtung, dass es womöglich noch Tage oder sogar Wochen dauert, bis ein endgültiges Wahlergebnis vorliegt.

Auch die Aktien europäischer Windkraftfirmen gingen in die Knie. Die Anteilsscheine von Vestas, Nordex und Siemens Gamesa gaben zwischen 9,6 und 12,7 Prozent nach. Auf die Stimmung drückte vor allem, dass Trump eine weitere Amtszeit im Weißen Haus bleiben könnte. Für den Fall eines Wahlsiegs des Demokraten Biden hatten viele Anleger auf einen Ausbau der erneuerbaren Energien gewettet. Biden hatte zwei Billionen Dollar (1,7 Bill. Euro) an Investitionen für den Abschied von fossilen Brennstoffen in der Energieerzeugung bis 2035 in Aussicht gestellt.

Bei den Einzelwerten im deutschen DAX gehörte der größte deutsche Immobilienkonzern Vonovia zu den Kursgewinnern. Die Aktien legten um mehr als drei Prozent zu. Der Konzern erwartet, dass das Ergebnis 2020 trotz der Coronakrise am oberen Ende der Prognose liegen werde. Dagegen gaben die Titel von BMW rund ein Prozent nach. Trotz eines deutlichen Gewinnanstiegs im dritten Quartal blickte der Autobauer zurückhaltend auf das Gesamtjahr. Im Wiener ATX hat der Ölfeldausrüster Schoeller-Bleckmann (SBO) mit einem Plus von 2 Prozent bis zum späten Vormittag am stärksten zugelegt.

(APA/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.