Minarett-Debatte: Rasch entzündet, schnell entschärft

Minarett-Debatte: Rasch entzündet, schnell entschärft
Minarett-Debatte: Rasch entzündet, schnell entschärft(c) APA/ROBERT PARIGGER (Robert Parigger)
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Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Schakfeh wünscht sich in "zwei, drei Jahrzehnten" eine erkennbare Moschee in jeder Landeshauptstadt. Die FPÖ reagiert erwartbar.

Wien. So schnell entstehen hitzige Debatten in Vorwahlzeiten. Da formuliert der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Anas Schakfeh, den Wunsch, es möge langfristig in jeder Landeshauptstadt Österreichs eine „nach außen erkennbare Moschee inklusive Minarett“ geben. Und die politische Rechte holt zum (leider erwartbaren) verbalen Rundumschlag aus.

Freilich war der Zeitpunkt für Schakfehs Interview mit der Austria Presse Agentur (APA) wenige Wochen vor der Wien-Wahl am 10. Oktober taktisch nicht besonders klug gewählt. Dass die FPÖ gerade jetzt, ohnehin angefeuert durch die Debatte rund um ihre „Wiener Blut“-Plakate, auf solche Vorstöße reagiert, lag auf der Hand. Schon heute seien Moscheen „Brutstätten des radikalen Islams“, meint etwa FP-Generalsekretär Harald Vilimsky am Sonntag in einer Aussendung, in der er zudem ein „Zuwanderungsverbot für Personen aus dem islamischen Raum“ fordert. Nicht weniger zimperlich formuliert Gerald Grosz vom BZÖ: Er hält Schakfehs Vorschläge für „schwachsinnige Ideen“, nennt Moscheen „Widerstandsnester“.

Schakfeh will sich nun aber nicht vorwerfen lassen, er habe gerade rechtzeitig vor der Wien-Wahl eine Debatte losgetreten, die der FPÖ nützen könnte. Das Gespräch mit der APA sei in erster Linie aus Anlass der bevorstehenden Wahlen seiner Glaubensgemeinschaft (November bis Juni 2011) zustande gekommen, sagt er der „Presse“. Und nicht zuletzt auch deshalb, weil er zur aktuellen FPÖ-Kampagne befragt wurde. Der Wiener SP-Abgeordnete Omar Al Rawi verteidigt Schakfeh: „Er wollte damit keine Debatte lostreten.“ Al Rawi sei erschüttert, wie „niederträchtig diese Politiker über Gebetshäuser reden“.

IGGiÖ-Präsident Schakfeh rechnet nach den Neuwahlen seiner Glaubensgemeinschaft mit seiner Ablöse. Sein somit vermutlich letztes Jahr seiner Amtszeit als IGGiÖ-Präsident will er dem Kampf gegen Klischees über die derzeit rund 500.000 in Österreich lebenden Muslime widmen. „Natürlich sind nicht alle Muslime Engel, wir sind normale Menschen wie alle anderen auch“, sagt er. Er ist gegen eine Deutsch-Pflicht vor der Zuwanderung und gegen das Burka-Verbot, schlägt erneut ein eigenes Staatssekretariat für Immigration und Integration vor.

Die Reaktionen von BZÖ und FPÖ haben Schakfeh nicht überrascht, sagt er. „Sie führen einen nicht sauberen Wahlkampf auf Kosten der Muslime und aller Immigranten, die für sie die sogenannten Fremden sind. Egal, wie integriert sie sind.“

Fünf Minarette in Österreich

Eine „nach außen erkennbare Moschee“ – darunter versteht Schakfeh ein Gebäude, „das jeder als Moschee wahrnimmt“. Es soll somit die Grundarchitektur einer Moschee vorhanden sein: Hauptgebäude, Minarett, Kuppel. „So wie auch eine Kirche eine bestimmte Grundstruktur hat“, sagt er. „Die Art, wie Gebetshäuser und Moscheen in den 60er- und 70er-Jahren waren, in Kellerlokalen oder Wohnungen, soll vorbei sein. Wir wollen uns nicht verstecken.“

Dabei ginge es ihm nicht um die Frage, wie zentral eine Moschee gelegen ist: „Sie muss nur gut erreichbar für die Gläubigen sein. Außerdem: Was heute am Rand der Stadt liegt, kann in zehn Jahren vielleicht schon zentral sein.“ Schakfeh hofft also, dass früher oder später („aber nicht morgen oder übermorgen“) in jedem Bundesland eine Moschee stehen wird. Und Österreich ist davon gar nicht so weit entfernt. Je nach Zählart gibt es bereits vier oder fünf Moscheen mit einem Minarett: in Wien, Telfs (Tirol), Saalfelden (Salzburg) und Bad Vöslau (Niederösterreich; weil diese zwei Minarette hat könnte man sie doppelt zählen) und das von Kindern aus Holz errichtete Minarett, das in Innsbruck im Rahmen einer katholischen Aktion erbaut wurde. Schakfehs Vorstoß klingt demnach geradezu zurückhaltend dezent.

Debatten wie diese lassen vergessen, dass die Errichtung einer Moschee auch ganz ohne Bürgerinitiativen oder Hetzkampagnen aus dem rechten politischen Lager passieren kann, wie der Ort Saalfelden beweist. Seit 2003 steht dort eine Moschee mit einem acht Meter hohen Minarett. Nicht einmal die IGGiÖ wusste bis zum Vorjahr von ihrem Bau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2010)

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