Kaffeehauskultur

Ein prunkvolles Wohnzimmer

Wiener Kaffeehaus um 1900
Wiener Kaffeehaus um 1900(c) IMAGNO/Austrian Archives (Austrian Archives)
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Ein „Ort der selbstverständlichen Täuschungen“: Das Wiener Kaffeehaus feiert Jubiläum.

„Im Hawelka war ich damals ja nur ein Geduldeter. Für Leute wie Elias Canetti oder Friedrich Torberg wurden die Stammtische freigehalten“, plaudert Christian Brandstätter aus dem Nähkästchen. Mit seiner jüngsten Publikation hat der 77-jährige österreichische Verleger einer Wiener Institution zum 300-Jahr-Jubiläum einen persönlichen Liebesbrief verfasst: „Das Wiener Kaffeehaus“ ist Brandstätters „Opus magnum“ über ein viel besungenes Kulturgut, das wiewohl schon oft totgesagt, in veränderter Form noch weiterbesteht.

Das Buch ist eine umfassende und schön gestaltete Sammlung aus Fotos, Zitaten und Illustrationen, ohne dabei stringent einem roten Faden zu folgen. Gastbeiträge, wie etwa das einlei- tende Wort von Schriftstellerin und Journalistin Doris Knecht, ein Essay zu Künstler- und Literaturcafés um 1900 von Autor Joachim Riedl oder André Hellers Ausführungen zum Café Hawelka als „Ort der selbstverständlichen Täuschungen“, wo „das Geschichtenerzählen, der Selbstbetrug, die Erinnerungssüchtigkeit, das Kritisieren und das Sich-Stilisieren“ zu den Gepflogenheiten zählten, geben dem Buch Form und seinen anekdotischen Charakter. An anderer Stelle geht Historiker Markus Kristan auf die Architektur der frühen Wiener Kaffeehäuser ein.

Josefine Hawelka mit Andre Heller und Walter Navratil
Josefine Hawelka mit Andre Heller und Walter Navratil(c) IMAGNO/Franz Hubmann (Franz Hubmann)

Sie entstanden nach der Zweiten Wiener Türkenbelagerung rund um 1700 und waren architektonisch bei Weitem bescheidener als ihre Nachfolger. Wohnzimmer-Ersatz. Damals sollte das Kaffeehaus den Wienern die prunkvollen Räume spendieren, die man sich selbst nicht leisten konnte: Hohe Räume, große Spiegelscheiben, große Flügeltüren am Eingang, Tische mit gemaserten Marmorplatten, Wände verkleidet mit Holzpaneelen, gepolsterte Sitzbänke, „große Monumentalluster sowie Armleuchter mit Kristallglas spenden bei Dunkelheit Licht“. Mit schönen Beschreibungen wie diesen liefert das Buch zwar inhaltlich wenig Neues, ist dafür aber sicher eine der bestillustrierten und -erzählten sowie umfassendsten Publikationen zum Thema.

(c) Gregor Hofbauer

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