Die Ermittlungen nach dem Anschlag in Wien führen neben der Schweiz noch in ein weiteres Land. Die Zusammenarbeit mit der Slowakei lief nicht ganz reibungslos.
Am dritten Tag nach dem folgenschweren Anschlag in Wien gab Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gemeinsam mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, sowie dem Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl, weitere Details über die Ermittlungen bekannt und die kurz nach dem Anschlag Festgenommenen bekannt. Zudem reagierten sie auf Kritik an den Ermittlungen: So habe etwa der slowakische Geheimdienst lange mit einer Antwort auf sich warten lassen.
Acht Festgenommene bereits verurteilt
Bisher gab es 18 Hausdurchsuchungen, zusätzlich zu den 14 bereits bekannt gewordenen Personen in Haft wurde ein weiterer Verdächtiger festgenommen, sagte Nehammer. Acht der 15 Festgenommenen waren bereits strafrechtlich verurteilt: Vier wegen terroristischer Straftaten, zwei wegen unterschiedlicher Gewaltdelikte und zwei in Linz wegen versuchten Ehrenmordes.
Alle Verdächtigen waren dem radikalen Milieu zuzuordnen, sagte Generaldirektor Ruf. Man habe von dem Personenkreis jedenfalls bereits Kenntnis gehabt, so Ruf, weswegen man dann auch relativ schnell reagieren und die Verdächtigen festnehmen konnte.
Die Ermittlungen würden allerdings weiter laufen. Diese führen auch in andere Länder. So wurden auch in der Schweiz zwei Personen festgenommen, wo möglicherweise ein Zusammenhang mit dem Anschlag in Wien steht. Ein weiterer Ermittlungsstrang führe in ein weiteres Land, sagte Nehammer. Um welches Land es sich handelt, könne man aber noch nicht bekanntgeben.
Erster Schusswechsel nach drei Minuten
Ruf schilderte zudem den Ablauf des Polizeieinsatzes am Montag: Wie bereits bekannt, ging der erste Notruf um 20 Uhr ein. 65 Sekunden später war eine Polizeistreife vor Ort, um 20:03 Uhr gab ein Streifenpolizist bereits einen ersten Schuss auf den Täter ab. Es war jener Beamte, der im Verlauf des Feuergefechtes schwer am Oberschenkel verletzt wurde. Der Täter wurde von einem weiteren Streifenpolizisten und von den unmittelbar danach eintreffenden Spezialeinheiten bekämpft. Insgesamt kam es zu fünf Schusswechseln, bis der Attentäter schließlich von einem Beamten der Spezialeinheit unterhalb des linken Schulterblattes getroffen und getötet wurde.
Weil der Täter einen - bis dato noch nicht als Attrappe identifizierten - Sprengstoffgürtel trug, wurden Entschärfungsspezialisten angefordert. „Mit einem Entschärfungsroboter wurden dem Täter alle Gegenstände abgenommen und dann ein Röntgen durchgeführt“; schilderte Ruf. Dabei wurde bereits ein Foto des Täters gemacht, mithilfe dessen der Täter innerhalb von vier Stunden identifiziert werden konnte - ein „höchst professionelles und rasches“ Vorgehen, wie Nehammer betonte.
Informationen von FBI
Der Innenminister und die beiden Sicherheitsbeamten versuchten bei der Pressekonferenz die bereits aufgekommenen Kritik am Vorgehen der Ermittlungsbehörden zu entgegnen. So habe sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit Nachbarländern und ausländischen Geheimdiensten „herausragend“ gewesen sei, so Nehammer. „Das Vertrauen in Österreich ist wiedergefunden worden“, der Bundesverfassungsschutz (BVT) habe sehr viele nützliche Informationen erhalten. Intensiv sei auch die Zusammenarbeit mit dem FBI, so der Innenminister. Welche Informationen Österreich von dem amerikanischen Geheimdienst erhalten habe, könne er noch nicht bekannt geben, denn die Ermittlungen im Netzwerk der Terroristen seien „bei weitem noch nicht abgeschlossen."
Späte Antwort der Slowakei
Die Zusammenarbeit mit der Slowakei, wo der spätere Täter im Sommer versucht hatte, Munition zu kaufen, dürfte aber weniger gut funktioniert haben. Zwar sei das BVT Ende Juli darüber informiert worden, allerdings habe man die Männer nicht sofort identifizieren können, erklärte Ruf. „Es gab ein Autokennzeichen, wo man sich nicht sicher war, wie es genau lautet, und ein Lichtbild, wo die beiden Männer nicht eindeutig erkennbar waren.“
Dennoch habe man mögliche Männer ausgeforscht, darunter auch den späteren Täter. Die Bilder der Männer gingen zurück an die Slowakei, die sich mit der Antwort jedoch Zeit ließ. Erst nach zweimaliger schriftlicher Aufforderung und einem Telefonanruf bekam das BVT am 16. Oktober die Antwort, dass dies möglicherweise die Männer in dem Waffengeschäft gewesen sein könnten. Für eine Observation des Verdächtigen habe dies aber noch nicht ausgereicht, sagte Ruf. „Da gibt es viele Elemente, die man mitbeurteilen muss“, verteidigte Ruf das Vorgehen der Verfassungsschützer. „So etwas kann man nicht im Schnellschuss abhandeln.“ Jedenfalls seien die Ermittlungen „auf hohem Niveau“ gelaufen.
Kommission prüft
Seiner Ansicht nach sei gute Arbeit geleistet worden, dennoch habe jeder das Recht, die Vorgehensweise zu hinterfragen, sagte Ruf. „Ich bin nicht so überheblich zu sagen, es ist nichts passiert.“ Er sei froh, dass Ermittlungen und Vorgehen der Polizei und des Verfassungsschutzes nun von einer unabhängigen Untersuchungskommission evaluiert würden. Er wolle selbst „offen damit umgehen, ob etwas falsch gelaufen ist.“
Polizeipräsident Pürstl äußerste sich außerdem zur Ausrüstung der Wiener Polizei, welche nach dem Anschlag ebenfalls kritisiert worden sei. Es sei seiner Ansicht nach nicht notwendig, noch mehr Polizeibeamten mit Sturmgewehren auszurüsten. Derzeit gebe es bei der Wiener Polizei 1000 Sturmgewehre, in jedem Bezirk seien bestimmte Streifenwägen damit ausgerüstet. Zudem fahre die Wega sogenannte „Sektorstreifen“. Jene Beamten, die stets mit Sturmgewehr unterwegs sind, seien dann auch so rasch am Tatort gewesen.
Warum diese nicht sofort nach dem Notruf angefordert worden sei, erklärt Pürstl mit der Tatsache, dass „wöchentlich“ Notrufe über mögliche Schüsse eingehen würden, „immer wenn ein Krach gehört wird.“ Bei jedem Mal Terroralarm zu geben, sei nicht möglich.
(twi)