Putzen: eine universelle Kulturtechnik

Wisch und weg. (Werbe-)Konzepte von Sauberkeit, Hygiene und Ordnung.

Vier Tage lang ging das Künstlerduo Martin Hablesreiter und Sonja Stummerer mit Tom Hanslmaier in Ebensee von Haus zu Haus: Während die Männer bei völlig fremden Menschen putzten, führte Stummerer Interviews, bei denen es um Lebenskonzepte, Umweltschutz oder Konsumzwang ging. Gedacht war das Projekt als feministische Provokation zum Festival der Regionen 2015. „Die Erfahrungen haben unser politisches und kulturelles Selbstverständnis durcheinandergewirbelt und wir begannen zum Putzen, also zu Patriarchat, Hierarchie, Migration, Umwelt- und Gesundheitsschäden, zu recherchieren“, sagt Hablesreiter. „Mit jedem Staubwischen, mit jeder Inbetriebnahme des Staubsaugers, mit jedem Kauf eines Putzmittels geschieht auch ein gesellschaftspolitischer Akt. Was wird als sauber erachtet und warum? Wer reinigt für wen womit? Wie beeinflusst das die Gestaltung von Geräten, Möbeln und Städten? Welche Spuren hinterlässt das Putzen?“ Ihre Erkenntnisse haben sie in dem Buch „Putzen – eine Kulturtechnik“ in Wort und Bild verarbeitet. „Wir interessieren uns für scheinbar Alltägliches, denn darin sehen wir das eigentlich Politische“, erklärt Hablesreiter. Und die Definition von Schmutz sei nicht zuletzt auch kulturell bedingt.

Ein großes Kapitel zu Sauberkeit und Hygiene wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgeschlagen, als der Erreger der Cholera entdeckt und Zusammenhänge mit verunreinigtem Trinkwasser offenbar wurden. Mediziner, Mikrobiologe und Hygieniker Robert Koch hat die Bakterien noch 1883 im Darm von Verstorbenen nachgewiesen. „Diese Entdeckung hat eine hygienische Revolution ausgelöst“, konstatiert Hablesreiter und denkt an großangelegte urbane Kanalisationssysteme des 19. Jahrhunderts. Vom anfänglichen Bestreben, vor allem Krankheiten abzuwehren, wurde gerade im Amerika des 20. Jahrhunderts die Frau zur Hüterin der Sauberkeit zu Hause stilisiert, „während in Europa in höheren sozialen Schichten noch eine Dienstbotenschar dafür verantwortlich war, hat sich dort zusehends die Industrie dieser Haushalte angenommen“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.