Literatur

Bridget Jones – schwarz und politisch

Candice Carty-Williams trifft den manchmal rauen Ton, in dem junge Frauen über ihr Leben nachdenken.
Candice Carty-Williams trifft den manchmal rauen Ton, in dem junge Frauen über ihr Leben nachdenken.APA/Lily Richards
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Die Britin Candice Carty-Williams legte mit »Queenie« das Porträt einer jungen Frau vor, bei dem man nicht weiß, ob man weinen oder lachen soll. Beides gleichzeitig geht aber auch.

Sie ist kompliziert und undiszipliniert, witzig und angriffig, liebt ihre Freundinnen und hat ein denkbar schlechtes Händchen für Männer, denen sie sich gern mit Haut und Haaren ausliefert. Da sie auch noch in London lebt und sich als Journalistin etablieren möchte, könnte man meinen, eine alte Bekannte wiederzuerkennen: Bridget Jones, das patscherte It-Girl der Nullerjahre mit mehr Herz als Hirn.

Doch auch wenn Queenie Jenkins und Bridget Jones einige Wesenszüge und Problemzonen gemeinsam haben, trennt die beiden doch Essenzielles: Queenie ist schwarz und bringt damit eine besondere Dimension in dieses Porträt einer modernen jungen Frau zwischen Selbstzweifel, Ambition und einem gestörten Verhältnis zu Beziehungen. Man weint bei „Queenie“, man lacht schallend, man schüttelt sich – und versteht am Ende unsere komplexe multikulturelle Gesellschaft besser. Und auch, warum schwarze Leben oft nicht so viel zählen wie weiße.

Sprache als Schlagstock. Einen Aspekt dieses Unterschieds zwischen weißer Frau und schwarzer Frau erklärt Queenie ihrer Therapeutin sehr unverblümt: „Wenn wir ausgehen, dann werden meine Freundinnen von Typen angesprochen, die sagen: ,Ich würde dich gerne mal zum Abendessen einladen‘, und im selben Atemzug kommen sie zu mir, fassen mir an den Arsch und erzählen mir, dass sie mich mit zu sich nach Hause nehmen und über der Sofalehne ficken wollen.“ Empfindliche Leser mögen sich an Queenies expliziter Sprache stoßen, sowie an der Nachhilfe in einigen Sexpraktiken. Diese Sprache kommt aber nicht von ungefähr. Sie ist Ausdruck eines Frauenlebens, das sein gerüttelt Maß an Brutalisierung aushalten musste und bis heute mittels einer Sprache klein gehalten wird, die Worte bewusst als Schlagstock gebraucht.

Queenie wirkt, als würde sie diese Erniedrigung geradezu suchen. Die langjährige Beziehung zu ihrem (weißen) Freund, Tom, ist gerade in Form einer dreimonatigen „Auszeit“ suspendiert worden, in der alle außer Queenie das endgültige Ende erkennen. Aus Verzweiflung und Selbstzerstörungstrieb lässt Queenie sich wahllos mit Männern ein und gestattet diesen, über sie und ihren Körper zu verfügen.
Als der Absturz der jungen Frau immer dramatischere Züge annimmt, spannen sich drei starke Sicherheitsseile. Das eine hält Janet, eine Therapeutin, an die Queenie von einem Zentrum für sexuelle Gesundheit überwiesen wurde. Das zweite halten ihre zwei besten Freundinnen, Kyazike (ausgesprochen Tschess-ki) und Darcy. Das dritte befindet sich fest in der Hand ihrer jamaikanischstämmigen Familie, allen voran ihrer wehrhaften Großmutter und ihres strategisch schwerhörigen Großvaters, ihrer gläubigen Tante Maggie mit den atemberaubenden Perücken und ihrer mit allen Wassern gewaschenen 15-jährigen Kusine Diana.

Der Erzählstrang rund um ihre Familie führt die Geschichte von Queenie noch ein Stück tiefer. Denn diese ist zu gleichen Teilen Heilung wie Krankheit. Ein großer Teil von Queenies Traumata, ihre Angst vor Berührung, ihr höchstens in Spurenelementen vorhandenes Selbstwertgefühl stammen von der physisch und psychisch gewalttätigen Beziehung ihrer Mutter, Sylvie, zu Queenies Stiefvater, Roy. Diese endete mit der völligen Entfremdung von Mutter und Tochter.

Mehr als platte Unterhaltung. „Queenie“ ist ein vielschichtigeres Buch, als man nach den ersten Seiten annehmen würde. Hier geht es nicht um platte Unterhaltung und ein flottes Leben in rosa. Candice Carty-Williams lässt ihre Charaktere durchaus schwarzsehen – im wahren Sinn des Worts. Queenie nimmt es mit jeder Form von Alltagsdiskriminierung auf, auch wenn sie damit kuschelige Familienfeiern sprengt. Dennoch wird sie von denen, die in diesem Diskurs auf ihrer Seite stehen sollten, hartnäckig als „Bounty“ bezeichnet – außen schwarz, innen weiß. Queenies Geschichte ist eine von Emanzipation und Befreiung unter schwierigsten Umständen. Ein Dank an die Autorin, dass sie den Lesern dazwischen auch ihr Lachen gönnt. ⫻

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