Die Moscheen, die nicht aufregen

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Es geht auch ganz anders: Die Moscheen mit Minarett in Wien-Floridsdorf und in Saalfelden funktionieren ohne Proteste und hitzige Debatten - und das schon seit vielen Jahren.

Hier herrscht Nüchternheit. Es ist Ramadan, und im islamischen Fastenmonat essen die Muslime zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts. Es herrscht hier auch Nüchternheit, weil die Moschee in Floridsdorf – entgegen der aktuellen Debatte – weder die Anrainer noch die Politik aufzuregen scheint. Wie die Moschee in Saalfelden in Salzburg ist das Floridsdorfer Gebets- und Begegnungszentrum ein Beispiel, dass es auch anders geht.

Mervan Mullahoglu sitzt in seinem kleinen Büro in der Moschee mit Blick auf die grüne Donauinsel und holt ein Stück Papier hervor. „Um 21.34 Uhr“, sagt er. Zu diesem Zeitpunkt findet am Montag der „Iftar“ statt, das Fastenbrechen. Abends ist daher der Gebetsraum der Moschee voll: Bis zu 400 Menschen kommen während des Ramadan täglich zum Abendgebet, erzählt der 40-jährige Imam.

Noch ist allerdings nicht viel los im Gebetsraum. Nur die zwei kleinen Töchter des Imam hüpfen durch den Raum mit dem purpurroten Teppich und spielen Fangen. Am Rande der Halle liegt ein Obdachloser und schläft. Gerade zu Ramadan werden Mittellose aufgenommen, erklärt der Imam. Dass Moscheen mittlerweile oft und problemlos als „Brutstätte des radikalen Islam“ verstanden werden, ist ein Rätsel für Mullahoglu. „Wir töten und morden nicht darauf los“, sagt der Imam – und dreht zur Veranschaulichung den Spieß um: Seit zehn Jahren betreut er muslimische Häftlinge in Wiener Gefängnissen. „Fast alle dieser Menschen haben mit dem gelebten Islam nichts zu tun“, sagt er. „Diebstahl, Mord, Vergewaltigungen – das machen die Menschen nicht, die regelmäßig eine Moschee aufsuchen“, ist der Imam überzeugt. Mit seinen Töchtern grüßt er dann die ersten Besucher, die zum Mittagsgebet eintreffen.

Von Problemen mit der Nachbarschaft kann Mullahoglu nicht berichten. Im Gegenteil – gerade in den letzten Jahren sei das Interesse am Gebäude gestiegen. Auch würden immer mehr Schulgruppen die Moschee besuchen. Was die Politik betrifft – „sicher ist das ein Gesprächsthema bei uns“, sagt der Imam. Es herrsche hier auch keine Nervosität, was die aktuellen Plakate der FPÖ („Mehr Mut für Wiener Blut“) angehe. Die Schülerinnen Esra und Merve bringen es auf den Punkt: „Die FPÖ“, sagt Esra mit dem türkisfarbenen Kopftuch, „ist ausländerfeindlich. Das ist doch nicht neu.“ Die neuen Plakate kenne sie zwar noch nicht, aber sie werde „schon sehr bald“ eines zu Gesicht bekommen, wie ihr Merve versichert.

Zufriedener Richard Lugner

Seit rund 30 Jahren beten und treffen sich hier Wiener Muslime. Die Anfänge der Moschee waren vergleichsweise unaufgeregt. Von Bürgern, die auf die Barrikaden gehen, ist in der zeitgenössischen Berichterstattung nicht die Rede. Viel eher wird darauf hingewiesen, dass die in Österreich lebenden Moslems nun ein „würdiges Zentrum“ erhalten.

Es war im Jahr 1979, als diese erste Moschee Österreichs mit einem 32 Meter hohen Minarett und einer grünen Kuppel fertig gestellt wurde – im selben Jahr wurde auch die nahe gelegene UNO-City erbaut. Gerade in diese internationale Atmosphäre wurde die Moschee politisch (und öffentlich) eingebettet. Kurt Waldheim (noch als Außenminister) sprach von einer „Verbundenheit Österreichs mit der islamischen Welt“. Begrüßt wurde der Bau auch vom damaligen Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König. Selbst der Baumeister der Moschee – ein noch unbekannter Richard Lugner – schmückte sich mit dem Bau des Gotteshauses. Dieser Auftrag habe das Ansehen seiner Firma gehoben, sagte ein sichtlich zufriedener Lugner 1979.

Ein paar Schritte von der Moschee, an einem beschaulichen Plätzchen am Donauufer, betreibt Klaus Wimmer einen Imbissstand. „Es sind viele kleine Gruppen hier“, sagt Wimmer und deutet auf die weitläufige Wiese vor seinem Imbiss, „wobei Österreicher und Muslime eher unter sich bleiben.“ Es sei nicht wirklich ein Miteinander, bedauert Wimmer. Aber Probleme im Alltag, welcher Natur auch immer, gebe es hier keine. Das Einzige, womit Wimmer zurzeit hadern muss, sind die Umsatzeinbußen zu Ramadan.

FPÖ stört Minarett nicht

Salzburg. Auch in Saalfelden im Salzburger Pinzgau herrscht keine Aufregung: Bereits 2003 wurde hier eine Moschee mit Minarett eröffnet – unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit und ohne Proteste. Selbst die FPÖ akzeptiere den Bau, so der Salzburger FP-Chef Karl Schnell. Das Gebetshaus mit dem acht Meter hohen Turm steht unscheinbar neben der Pinzgauer Straße B311.

Für Schnell ist dies ausschlaggebend dafür, „dass es in dieser Form tolerierbar ist“. Die Moschee sei in einer Größenordnung gebaut, „die nicht übertrieben und provozierend ist“, sagt Schnell. Auch der winzige Halbmond auf der Turmspitze stoße keinen vor den Kopf.

Wesentliche Elemente einer Moschee
Wesentliche Elemente einer Moschee(c)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2010)

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