Warenverkehr

Zollabwicklung: Vergehen können teuer werden

Hafen von Dover: Ohne zollrelevante Dokumente geht ab 1. Jänner 2021 dort gar nichts mehr.
Hafen von Dover: Ohne zollrelevante Dokumente geht ab 1. Jänner 2021 dort gar nichts mehr.(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Mit dem Brexit wird das Thema auch für Unternehmen schlagend, die bisher nur im Binnenmarkt unterwegs waren. Vieles läuft heute elektronisch – und dennoch lauern die verschiedensten Fallstricke.

Es ist schon Routine: Alle paar Tage lässt Gernot Winkler von der Mundus-Spedition eine Lkw-Ladung mit Türen und Fenstern aus Serbien verzollen. Baufirmen bestellen diese Teile in dem Land, dort sind sie deutlich günstiger. Zoll fällt keiner an, „aber nur, wenn der Lieferant ein Präferenzzeugnis mitschickt, das den serbischen Ursprung der Fenster bestätigt“, sagt Winkler. Das Präferenzzeugnis ist eine der Herausforderungen beim Verzollen. Österreich hat mit den meisten Ländern dieser Welt Handelsabkommen. Unterschiedlichste dort ganz oder teilweise hergestellte Waren sind zollfrei – aber welche, muss man erstens wissen und zweitens die Herkunft mit einem Präferenzzeugnis bestätigen. Wer dieses nicht hat, zahlt Zoll – im Fall der serbischen Fenster 6,5 Prozent – oder muss auf seine Waren warten, bis er das Papier nachliefert.

Europäische Zollfahndung

Vor teuren Überraschungen schützt ein Präferenzzeugnis aber nicht immer. Eine fast schon legendäre Geschichte handelt von einer Fahrradlieferung aus Vietnam, die eine österreichische Firma erhielt. Der Verkäufer sandte ein Präferenzzeugnis mit. Nachträglich stellte sich aber heraus, dass dieses Papier gefälscht war und die Fahrräder tatsächlich aus China stammten. Betrogener im wahrsten Sinn war der Importeur: Er musste den nicht unbeträchtlichen Zoll nachzahlen. Aufgedeckt wurde dieser Fall auf europäischer Ebene, erzählt Bettina Vogl-Lang, Leiterin der Gruppe III/C-Zoll des Finanzministeriums: „Man stellte in allen europäischen Ländern zeitgleich mit Antidumpingmaßnahmen gegen Billigimporte aus China einen eklatanten Anstieg an Fahrradlieferungen aus Vietnam fest.“ Nachforschungen brachten die wahre Herkunft der Räder an den Tag. Die europäischen Zollbehörden arbeiten zur Verhinderung von Zollbetrug schon seit einigen Jahren eng zusammen. Die Kooperation soll in den kommenden Jahren noch verstärkt werden. Schon jetzt läuft bei der elektronischen Verzollung im Hintergrund ein Risikomanagement-System, das je nach Ware und Herkunftsland die Zollbeamten automatisch auf potenzielle Risken hinweist. „Die letzte Entscheidung hat der Beamte. Er kann weitere Kontrollen veranlassen oder aber eine normale Abfertigung vornehmen“, erzählt Vogl-Lang. Künftig könnte sogar künstliche Intelligenz mithelfen, Zollbetrug zu verhindern.

Digitalisierung beschleunigt Abläufe

Die komplette Umstellung auf eine elektronische Abwicklung der zollrechtlichen Abläufe geht auf den seit 2016 geltenden neuen Unionzollkodex zurück. „Grundidee war, alle Mitspieler in der Europäischen Union elektronisch miteinander zu vernetzen“, sagt Vogl-Lang. Das habe den Vorteil, dass die Abläufe transparenter werden und die Mitgliedstaaten in der Umsetzung europäischer Regelungen einheitlicher vorgehen. Außerdem funktioniere die Abfertigung auf digitalem Weg schneller. Speditionen und Unternehmen, die selbst verzollen, müssen sich allerdings entsprechende Software anschaffen. „Ein vom Finanzministerium zugelassenes Programm kostet etwa 10.000 Euro“, erzählt Zollspezialist Weixler. Dafür erleichtere es die Arbeit wesentlich und habe den Vorteil, dass man ortsunabhängig einsteigen könne – ein großes Plus nicht nur, aber ganz besonders in Coronazeiten.

Die nächste große Herausforderung bringt der Brexit. Ab 1. Jänner des kommenden Jahres fallen für Waren aus und nach Großbritannien Kontrollen an. Daran würde selbst ein in letzter Minute unterzeichnetes Handelsabkommen nichts ändern. Vogl-Lang empfiehlt Firmen, die mit dem Vereinigten Königreich in Handelsbeziehungen stehen, die Informationen auf der Website des Finanzministeriums zu beachten. Unternehmen, die bislang keine Importe von außerhalb der EU durchführten, brauchen beispielsweise für Waren aus Großbritannien künftig eine EORI-Nummer für die elektronische Zollabfertigung. Außerdem rät Vogl-Lang, die Sendungen im Versandverfahren nach Österreich zu bringen und erst hier zu verzollen. „Das geht einfacher und schneller.“

Einfacher im Versandverfahren

Diesen Rat hat auch Karl Hannl, Zollberater der Spedition Veragg, parat: „In Holland, Belgien und Nordfrankreich drohen Megastaus. Mit dem Versandbegleitdokument kann der Lkw von Liverpool nach Wien durchfahren“, sagt er. Im Falle eines Freihandelsabkommens mit der britischen Insel wird außerdem das Thema Präferenzrecht aktuell werden: „Für Zollfreiheit ist es dann erforderlich, dass die Waren in Großbritannien ausreichend be- und verarbeitet wurden“, sagt Hannl. Und es drohen weitere Fallstricke: Wer sich etwa an den Werkzeug- und Materialkosten seines ausländischen Lieferanten finanziell beteiligt, muss die Investition dafür in den Zollwert einrechnen. Darauf wird oft vergessen, warnt Hannl. Das kann teuer werden: „Spätestens bei einer Betriebsprüfung droht nicht nur die Nachzahlung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, sondern auch ein Finanzstrafverfahren.“ Die Vorgangsweise der Zollbehörden sei durchaus sinnvoll, betont der Experte, denn es gehe nicht allein um Geld für den Staatssäckel: „Es müssen die redlichen Unternehmen vor den unredlichen geschützt werden.“

Auf einen Blick

Der Warenverkehr innerhalb des EU-Binnenmarktes ist grundsätzlich frei. Im innergemeinschaftlichen Handel gibt es daher nur sehr wenige Einschränkungen. Betroffen sind unter anderem Abfälle, Chemikalien oder Kulturgüter. Für Waren von außerhalb des Binnenmarktes wurde 2016 ein einheitlicher Unionzollkodex eingeführt. Er regelt EU-weit die elektronische Abwicklung der zollrechtlichen Bewilligungen. Für Eigenverzoller stellt das Finanzministerium eine entsprechende Software zur Verfügung. Mehr Informationen auf:
www.bmf.gv.at/themen/zoll.html

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2020)

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