Nachhaltigkeit

Logistikbranche im Klimastress

Zur Erreichung der Klimaziele kann man an vielen Knöpfen drehen.
Zur Erreichung der Klimaziele kann man an vielen Knöpfen drehen.(c) imago images/Alexander Limbach
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Ein Schlüssel zur Reduktion der CO2-Emissionen im Güterverkehr ist der Umstieg auf umweltfreundliche Antriebe. Möglichkeiten hierfür bieten sich aber auch abseits der Straße.

Diesel tanken und die Umwelt schützen, geht das? Ja, sagen zumindest führende Vertreter der Logistikbranche. So meldet Kühne + Nagel, einer der größten Logistikkonzerne Europas, seine eigenen Zehnjahresziele im Bereich der Nachhaltigkeit deutlich übertroffen zu haben. Die eigenen CO2-Emissionen wurden über die vergangenen zehn Jahre um mehr als ein Viertel reduziert, ein neues Net-Zero-Carbon-Programm soll den Milliardenkonzern auf dem Weg zur Klimaneutralität weiter unterstützen.

Wasserstoff aus Holz

Unterstützung für solche Programme kommt von der österreichischen Start-up-Front: Die Hydrogen eMobility AG hat eine patentierte Technologie entwickelt, die durch Trocknung und Vergasung von Holz die Herstellung von grünem Wasserstoff zu einem Herstellpreis ab rund zwei Euro pro Kilo Wasserstoff ermöglichen soll – Großkonzerne liegen mit ihren Verfahren derzeit bei etwa einem Fünffachen dieses Preisniveaus. „Wir hoffen, dass wir damit in einem ersten Schritt einen wesentlichen Beitrag zur Umstellung der öffentlichen Busflotten auf Wasserstoff leisten können“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Meilinger. Die Technologie beförderte das junge Unternehmen beim diesjährigen Hermes Verkehrs.Logistik.Preis auf das Siegerstockerl in der Kategorie Nachhaltigkeit. Ohne eine Umstellung von Diesel auf mit Wasserstoff oder Strom betriebene Fahrzeuge ist jede Anstrengung der Logistiker, einen messbaren Beitrag für eine nachhaltige Zukunft zu leisten, zum Scheitern verurteilt – egal, was Nachhaltigkeitsberichte sagen. Der CO2-Fußabdruck des Güterverkehrs hat sich nämlich seit 1990 mehr als verdoppelt, während der Zuwachs bei privaten Autofahrten im gleichen Zeitraum bei weniger als der Hälfte lag. Auch im Vorjahr ist der Straßentransport in Österreich um vier Prozent gestiegen. Selbst im Coronajahr wird es wohl kaum einen Rückgang geben, da Ausfälle bei Industrietransporten mit deutlichen Zuwächsen im privaten Bereich – Stichwort Online-Handel – wettgemacht wurden.

Nach der Pandemie kommen auf die Logistikbranche daher harte Zeiten zu: Der Verkehrssektor muss im Rahmen von Österreichs Klimastrategie bis 2030 den CO2-Ausstoß von jährlich 24,2 Millionen Tonnen auf höchstens 15,7 Millionen Tonnen senken.

Teilumstieg geplant

Mit einer kompletten Umstellung des Gesamtverkehrs auf Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge – die im Schwerverkehr allerdings bisher nur bedingt serienreif sind – würde jedoch der Strombedarf rasant steigen. Das würde laut einer Studie des Energieversorgers Verbund 65 zusätzliche Wasserkraftwerke in der Größe der Anlage in Wien Freudenau erfordern. Eine großvolumige Verlagerung auf die Bahn würde zudem zu einer Überlastung führen. Daher wäre die Lösung, einen Teilumstieg anzugehen, Diesel Schritt für Schritt in Pension zu schicken sowie Engpässe bei der Verknüpfung von Straße, Schiene und Wasser zu beheben, meint Alexander Klacska, Obmann der Transporteure in der WKO: „Bei zwei Dritteln unserer Transporte auf der Straße handelt es sich um Inlandsverkehr mit einem Radius von unter 150 Kilometern, doch Lieferungen für den täglichen Bedarf kann man nicht auf die Schiene bringen.“ Es brauche nicht für alles teure Investitionen – oft reiche schon Bürokratieabbau, sagt Klacska. Etwa im Führerscheingesetz oder in der Gewerbeordnung: So sind Elektromotoren für Kleintransporter bis vier Tonnen möglich, der B-Führerschein gilt aber nur bis 3,5 Tonnen. „Das heißt, man würde dann den C-Führerschein brauchen, und auch ein spezieller Gewerbeschein ist nötig. Hier kann man E-Mobilität durch sehr einfache und kostenlose Maßnahmen attraktiver machen“, betont der WKO-Experte.

Sonnenstrom für den Hafen

Ein gangbarer Weg für Unternehmen ist es auch, Möglichkeiten für eine Reduzierung der CO2-Emissionen dort zu suchen, wo es nicht um das Kerngeschäft, die energieintensive Bewegung von Gütern, geht. So setzt der Hafen Wien, ein Unternehmen der Wien Holding, auf Nachhaltigkeit und hat gemeinsam mit Wien Energie eine Fotovoltaikanlage auf einem bestehenden Gewerbegebäude im Hafen-Wien-Areal HQ7 errichtet. Ob Hafenausbauprogramm, neue Umschlagseinrichtungen, die Optimierung der Unternehmensstrukturen oder die Infrastruktur – der Hafen Wien werde Zug um Zug aufgerüstet, stellt Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke in Aussicht. „Dazu gehört auch die Nutzung digitaler Systeme und erneuerbarer Energien: Durch die neue Fotovoltaikanlage setzen wir einen wichtigen Schritt für den Umwelt- und Klimaschutz.“ Mit der neuen Anlage wird ein Fünftel des gesamten Strombedarfs aus Sonnenenergie vor Ort gedeckt. Die Leistung würde reichen, um 110 Haushalte ein ganzes Jahr mit Grünstrom zu versorgen – oder Hunderte Lkws statt mit Diesel mit nachhaltiger Energie zu betanken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2020)

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