Schwertransporte

Viele Tonnen und wenige Millimeter

Enge Bergstraßen sind für Spezialtransporte eine besondere Herausforderung.
Enge Bergstraßen sind für Spezialtransporte eine besondere Herausforderung.(c) Felbermayr
  • Drucken

Wenn Dutzende Tonnen schwere und zwei Fahrspuren breite Teile zu bewegen sind, sind Spezialisten mit guten Nerven gefragt.

Das ging ins Auge: Vor zwei Jahren wollte ein dänischer Schwertransporter mit einem 60 Meter langen Windrad im Schlepptau durch den Elbtunnel fahren. Bei der Höhenkontrolle war Endstation. Der Transporter steckte für Tage fest, es ging weder vor noch zurück. Bis zu 16 Kilometer lang stauten sich in der Folge die Autos auf der Hamburger Hauptverkehrsroute. Hierzulande versucht man solche Havarien durch sorgfältige Vorbereitung zu verhindern. Bereits Wochen oder Monate davor fahren Transportingenieure die Strecke ab, nehmen eventuelle Hindernisse genau unter die Lupe und erstellen eine Machbarkeitsstudie.

3-D-Scans von Tunneln

Immer öfter setzt man dabei auf digitale Technologien. Felbermayr verließ sich darauf etwa beim Abtransport eines Transformators vom Kraftwerk Kölnbreinsperre. Der Trafo war zwar „nur“ 70 Tonnen schwer, aber der Transport erfolgte auf einer engen und kurvigen Gebirgsstraße. Größte Herausforderung auf der Bergstrecke war der 358 Meter lange Galgenbichltunnel: „Zwischen Tunnelwand und Trafo waren nur wenige Zentimeter Platz“, erzählt Wolfgang Schellerer, Geschäftsführer der Felbermayr Transport- und Hebetechnik, die den Transport durchführte. Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten wurde der Tunnel mit 3-D-Scans vermessen. Dadurch konnte die Fahrt vorab am Computer simuliert werden. Dann wusste man: Es geht, aber knapp. Bei solchen Einsätzen, bei denen es auf Millimeterarbeit ankommt, steht ein Team im Einsatz. Zwei Mitarbeiter sind bei schwierigen Abschnitten zu Fuß unterwegs und lenken in Absprache mit dem Fahrer per Fernbedienung die Achsen des Tiefladers. „Für solche Transporte kommen nur die erfahrensten Fahrer zum Einsatz, sie sind unser größtes Kapital“, sagt Schellerer.

Räumung von Baustellen

Nicht ganz so kniffelige Millimeterarbeit, dafür aber eine wesentlich längere Transportstrecke sowie größere und schwerere Güter waren die Herausforderungen, die Prangl bei Transporten im Zuge des Neubaus der Linzer Voest-Brücke lösen musste. Es galt, bis zu 90 Tonnen schwere Brückenelemente von Darmstadt zur Baustelle nach Linz zu bringen. „Bei manchen Fahrten belief sich die Länge des Transports auf 45 Meter, die Breite auf fünf Meter“, erzählt Jochen Schmidt, bei Prangl für den Schwertransport verantwortlich.

200 Sondertransporte waren insgesamt erforderlich. Gefahren wurde in jeweils zwei bis drei Nächten vorwiegend auf Autobahnen. Das Transportunternehmen stimmte sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland mit Autobahnpolizei und Straßenmeisterei ab. „Man glaubt nicht, wie oft es Störungen durch Unfälle, Tunnelreinigung oder Ähnliches gibt“, berichtet Schmidt. In einem solchen Fall muss rasch und vorausschauend reagiert werden und beispielsweise ein geeigneter Parkplatz für einen unvorhergesehenen Halt gefunden und angefahren werden. Den Schwertransporter eskortierten vier Begleitfahrzeuge. Sie hatten unter anderem die Aufgabe, bei Autobahnbrücken, die nur mit 20 Stundenkilometern überfahren werden durften, den nachfolgenden Verkehr in größerem Abstand vorausschauend und langsam abzubremsen.

Solche Maßnahmen führen bei manchen Autofahrern immer wieder zu Ärger, Hupkonzerten und waghalsigen Überholmanövern. Zuweilen sind aber auch weitergehende Aktionen nötig: Für Schwertransporte müssen Kreisverkehre begradigt, Ampeln und Verkehrszeichen abmontiert und manchmal sogar Baustellen beseitigt werden. Letzteres war der Fall, als Rachbauer-Special im Februar einen 56 Tonnen schweren und 6,10 Meter breiten Anlagenteil eines Atomkraftwerkes aus der Schweiz zur Bearbeitung nach Österreich brachte. „Aufgrund der Breite des Transports musste in Vorarlberg eine Baustelle auf der Autobahn mit einer Länge von rund vier Kilometern geräumt werden“, erzählt Firmenchef Josef Rachbauer. Das geht ins Geld: „Die Kosten der Baustellen-Räumung und Wiedererrichtung waren sehr hoch und mussten vom Auftraggeber übernommen werden.“ An der deutschen Grenze machten dann dort aufgestellte Kontroll-Container der Polizei Probleme. Sie wurden über einen extra geräumten Parkplatz umfahren.

600 Achsen, 1200 Räder

Die ganz großen Transporte hätten auf unseren Autobahnen aber keinen Platz. Transporter Industry International TII, ein deutsches Unternehmen, liefert modulare Transporter für Gigajobs: „Das sind riesige fahrbare Transportanlagen mit Motor und hydraulisch angetriebenen steuerbaren Achsen“, erläutert Kommunikationschef Volker Seitz. Die einzelnen Module können zu einem gigantischen Rollbrett zusammengestellt werden. Damit hat TII 2017 den inoffiziellen Weltrekord bei Schwertransporten aufgestellt: Ein Fahrzeug mit 600 Achslinien – also 1200 Rädern – transportierte in Asien die 17.280 Tonnen schwere Fähre Sewol, die 2014 vor Korea verunglückt war. Dank der lenkbaren Achsen leisten solche Transporter Millimeterarbeit. Das ist notwendig: In den USA bewegt ein solcher Tatzelwurm die neue Raumkapsel CST 100, in der Entwicklungskosten von einigen Milliarden Dollar stecken. Eine Havarie wäre hier also mehr als ein Malheur.

Info

Auf dem Straßennetz der Asfinag werden jährlich mehr als 10.000 Sondertransporte durchgeführt. Bei Sondertransporten handelt es sich um Transporte, deren Abmessungen die im Kraftfahrgesetz (KFG) definierten höchstzulässigen Abmessungen für Gewicht, Breite, Länge oder Höhe überschreiten. Dementsprechend ist eine behördliche Ausnahmegenehmigung erforderlich, die die zuständige Landesregierung erteilt. Anträge können elektronisch über das e-Government-Portal für Sondertransporte gestellt werden. www.sondertransporte.gv.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.