Rückkehr des harten Lockdowns

Verschärfung. Aus dem sanften Lockdown soll bald ein „echter“ werden. Den Schulen droht dann wieder die Schließung.

Wien. Es ist noch keine zwei Wochen her, dass die Regierung die Coronamaßnahmen verschärft hat. Bei einer täglichen Infektionszahl von rund 5000 wurde damals ein Lockdown „light“ verkündet. Am Donnerstag ist die Zahl der Neuinfektionen (inklusive Nachmeldungen) auf 9262 gestiegen. Und der vergleichsweise sanfte Lockdown könnte schon bald in einen harten umgewandelt werden.

Noch ist nichts endgültig entschieden. Doch die Anzeichen, dass sowohl die Schulen als auch der Handel bald schließen müssen, mehren sich. Jedenfalls in türkisen Regierungskreisen. Dort sieht man keinen anderen Ausweg und munkelt von zwei- bis dreiwöchigen Schulschließungen. Voraussichtlich am Samstag soll es eine öffentliche Verkündung der neuen Pläne geben. In den grünen Regierungsbüros will man das so noch nicht bestätigen. „Ich habe immer gesagt, wir werden nach zehn Tagen beginnen zu evaluieren. Wir haben heute Tag zehn“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Donnerstag. Tatsächlich wird es heute, Freitag, noch ein entscheidendes Treffen zwischen Kanzler, Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister geben. Heinz Faßmann wird in der Letztentscheidung über die Schulschließung keine Rolle mehr spielen. Das sei, wie er selbst bereits sagte, nicht mehr „Angelegenheit des Bildungsministers“.

Bis zuletzt setzte sich Faßmann vehement für offene Schulen ein. Dabei weiß er eigentlich den Koalitionspartner auf seiner Seite. Komplett geschlossene Schulen sind für die Grünen nur schwer vorstellbar. Das hörte man aus der Partei selbst am Donnerstag noch. Doch der grüne Gesundheitsminister wollte sich nicht mehr genau festlegen. Auch die Opposition – von der SPÖ über die FPÖ bis zu den Neos – machte gestern noch einmal gegen die Pläne mobil. Die Front gegen Schulschließungen ist in den vergangenen Tagen auch in Wirtschaft und Zivilgesellschaft immer breiter geworden.

Freiwilliges Home-Schooling als Ausweg

Im Kanzleramt sah man das stets anders. Hier werden Schulschließungen als großer Hebel für eine Verringerung der Bewegungsintensität gesehen. Immerhin gibt es insgesamt 1,1 Millionen Schüler. Ganz so leichtfertig wie noch im Frühling, als man die Bildungseinrichtungen als Erstes geschlossen hat, will man die Schüler diesmal aber offenbar nicht in die Fernlehre schicken. Es werde, wie man hört, sicher keinen offenen Handel und gleichzeitig geschlossene Schulen geben. Eine Argumentationshilfe könnte dem Kanzleramt noch geliefert werden. Denn die „Gurgelstudie“, die im September und Oktober in knapp 250 Schulen in Österreich durchgeführt wurde, soll am Freitag präsentiert werden. Sie wird Aufschluss über die Virusverbreitung an Schulen bringen.

Das Bildungsministerium bemüht sich währenddessen noch um alternative Lösungen. Immerhin gebe es auch Maßnahmen zwischen „offenen“ und „geschlossenen“ Schulen. Dazu zählt ein „freiwilliges Home-Schooling“. Die Eltern, die ihre Kinder aufgrund der Pandemie lieber zu Hause unterrichten möchten, sollen die Möglichkeit dazu erhalten. Vorausgesetzt, der Klassenvorstand und die Schulleitung erheben im Einzelfall keinen Einspruch. Allein durch das freiwillige Home-Schooling, das auch an einzelnen Tagen möglich sein sollte, würde sich die Zahl der Schüler vor Ort um mehr als ein Drittel verringern, rechnet das Ministerium vor.

Um eine Schließung zu vermeiden, hat das Ressort auch noch andere Maßnahmen vorgeschlagen: Dazu zählen ein gestaffelter Schulbeginn, das Ausweichen in größere Gemeindesäle sowie eine flächendeckende Maskenpflicht für alle Zehn- bis 14-Jährigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2020)

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