Neue Erkenntnisse

Corona-Studie aus Österreich: Keine Unterschiede zwischen Volksschulen und Unterstufen

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Bei Testungen von Schülern und Lehrern ohne Symptome wurden keine Unterschiede zwischen Volksschulen und Unterstufen sowie zwischen Schülern und Lehrern festgestellt. Was ein Hinweis darauf ist, dass auch Kinder zwischen sechs und 14 Jahren eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung des Coronavirus spielen können.

Keine signifikanten Unterschiede zwischen Volksschulen und AHS-Unterstufen bzw. Neue Mittelschulen, zwischen Lehrern und Schülern sowie zwischen den Bundesländern – das ist das Ergebnis der ersten Dunkelzifferstudie (Prävalenzstudie) in 243 Schulen in ganz Österreich, durchgeführt von einem Konsortium aus der Medizinischen Universität Graz, der Medizinischen Universität Innsbruck, der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz und der Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Untersucht wurden zwischen 28. September und 22. Oktober dieses Jahres insgesamt 10.464 zufällig ausgewählte Kinder, Jugendliche und Lehrer (alle auf freiwilliger Basis) ohne Beschwerden, also ohne medizinischen Anlass.

Von den Testpersonen gehören 5204 Schüler bzw. Lehrer einer Volksschule (49,7 Prozent) und 5260 Schüler bzw. Lehrer einer Mittelschule sowie AHS-Unterstufe (50,3 Prozent) an. 308 der gewonnenen Proben waren nicht verwertbar (2,9 Prozent) – zumeist, weil die Übertragung des Gurgelwassers in ein Gefäß durch die jeweiligen Schulärzte nicht korrekt erfolgte. 40 der verbleibenden 10.156 Proben fielen positiv aus. Das entspricht einer Gesamtprävalenz (Rate der positiven Resultate) von 0,39 Prozent mit einer Schwankungsbreite von 0,28 bis 0,55 Prozent.

Keine Unterschiede zwischen Bundesländern

Die Ergebnisse im Detail: 0,38 Prozent der getesteten Volksschüler waren positiv, in Neuen Mittelschulen und AHS-Unterstufen waren es 0,41 Prozent. „Das bedeutet, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Schulstufen gibt“, sagt Michael Wagner, Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien, er ist Initiator und Koordinator der Studie. Kein signifikanter Unterschied wurde zudem zwischen Schülern (mit einer Positivrate von 0,37 Prozent) und Lehrern (0,57 Prozent) festgestellt. Auch innerhalb der Bundesländer gab es keine nennenswerten Abweichungen.

Wenig überraschend fielen in Regionen, die laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) besonders stark von Infektionen betroffen sind, auch die Tests in den Schulen häufiger positiv aus, es war also eine direkte Korrelation zu beobachten.

Dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen Volksschul- und Unterstufenkindern gibt, gehört für Michael Wagner zu den „spannendsten Ergebnissen“ der Studie. Bisher wurde nämlich von vielen Medizinern vermutet, dass Kinder unter zehn Jahren nicht nur selten symptomatisch sind, sondern auch so gut wie nie angesteckt werden, was mit diesem Monitoring eindeutig widerlegt wird. Aus epidemiologischer Sicht spricht diese Erkenntnis also dafür, dass auch Kinder zwischen sechs und 14 Jahren eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung des Coronavirus spielen – und stärkt somit jene Experten, die sich für die Schließung dieser Schulstufen aussprechen.

Hohe Positivrate in Brennpunktschulen

Bemerkenswert sind zudem die Ergebnisse in Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Schichten, sogenannten Brennpunktschulen. In diesen fielen nämlich 0,81 Prozent der Tests positiv aus. In allen anderen Schulen – definiert als Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen „mit geringer bzw. moderater Benachteiligung“ –  waren es 0,23 Prozent. Ein deutlicher Unterschied also. In dieser Auswertung, also Brennpunktschulen im Vergleich zu Nicht-Brennpunktschulen, wurden die Testergebnisse der Lehrpersonen nicht berücksichtigt, im Fokus stand die soziale Benachteiligung von Kindern.

Warum die Ergebnisse in diesen Schulen um so viel häufiger positiv ausfielen, wurde nicht untersucht. „Dafür kommen viele Gründe infrage“, sagt Wagner. „Etwa Eltern in prekären Lebensverhältnissen, die ihre Kinder trotz leichten Symptomen in die Schule schicken.“ Er sieht in diesen Erkenntnissen jedenfalls einen Auftrag an die zuständigen Ministerien, in den betroffenen Schulen zielgerichtete Maßnahmen zu setzen. Spezifische Aufklärungsarbeit in den Familien, gegebenenfalls mit Dolmetschern, sei ebenfalls eine Möglichkeit wie die Mithilfe von Vorbildern wie etwa Musikern und Influencern, die bei Kindern und Jugendlichen hohe Glaubwürdigkeit genießen. Sich auf Pressekonferenzen mit Politikern zu verlassen, sei bei diesen Familien vermutlich zu wenig.

Welche Bedeutung haben 0,39 Prozent?

„Bleibt die Frage, ob eine Prävalenz von 0,39 Prozent nun als hoch einzuschätzen ist oder nicht“, sagt Wagner. „Die Antwort: Wir wissen es nicht. Niemand weiß das, weil im Vergleichszeitraum keine Prävalenztests in der gesamten Bevölkerung durchgeführt wurden, die wir unseren Ergebnissen gegenüberstellen könnten“. Das wird sich in der zweiten Runde der Studie, die derzeit läuft, ändern. Denn parallel dazu ist auch eine Dunkelzifferstudie der Statistik Austria in der Gesamtbevölkerung im Gange.

Aber lässt die Tatsache, dass kein Unterschied zwischen Schülern und Lehrern festgestellt wurde, nicht den Schluss zu, dass die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung im Studienzeitraum ähnlich hoch gewesen sein muss? Sind also Lehrer keine repräsentativen Erwachsenen? Wagner: „Möglicherweise schon, aber Sicherheit werden wir erst nach der zweite Runde der Studie haben.“ Deren Ergebnisse sollen Ende November präsentiert werden.

Getestet wurden die teilnehmenden Schüler (zwischen sechs und 14 Jahren) sowie die Lehrer mit der Gurgelmethode. Jeder positive Befund basiert auf positiven Ergebnissen mehrerer unabhängiger PCR-Tests. Der Datensatz wurde einer umfassenden Qualitätskontrolle unterzogen, die für epidemiologische Studien optimiert ist.

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