Tesla vs. Barracuda

United Muscles of America

3-2-1: Martin im Barracuda gibt das Kommando. V8-Wirbel von rechts, links: Schweigen.
3-2-1: Martin im Barracuda gibt das Kommando. V8-Wirbel von rechts, links: Schweigen. (c) Jürgen Skarwan
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Trump vs. Biden, das war amikales Schnapsen gegen diesen Clash der Kulturen.

Das neuzeitliche Muscle Car aus „God’s Own Country“ hinterlässt beim Ausüben seiner Paradedisziplin weder Pulverdampf noch Donnerhall, nicht einmal Gummistreifen auf dem Asphalt bleiben zurück. Drinnen mag es den Passagieren den Magen ausheben vor lauter Fliehkraft, aber auf der Gasse hebt kein Passant den Kopf: Der Warp-Modus eines Tesla ist lautlos.

Dass die Elektroautos aus Kalifornien so gehörig abzischen, ist zweifellos einer der Gründe, weshalb es Tesla in so kurzer Zeit von der Bastelbude zum angesehenen Autohersteller geschafft hat. Es fallen einem gleich ein paar altehrwürdige Marken ein, die vom Newcomer im Gewerbe – Teslas erstes Modell ist 2008 in Kleinserie gekommen – kalt lächelnd überholt worden sind. Und das gilt auch auf der Straße: Wenn man schon bei der Reichweite zurückstecken muss, so ist man wenigstens beim Antritt den Verbrennern haushoch überlegen. Denn feiste Beschleunigung ist eine relativ leichte Aufgabe für Elektroautos. E-Motoren entfachen ihr volles Drehmoment ab Drehzahl null, und wenn – „Dual-Motor“ – jeweils einer an Vorder- und Hinterachse sitzt, geht so gut wie nichts an Vortrieb im Schlupf heillos rauchender Reifen verloren. Bei Tesla sind Raketenstarts als ulkiges Feature inszeniert worden: „Ludicrous“-Mode („aberwitzig“) im Bordmenü aktiviert, und Mitreisende bekommen eine Demonstration verpasst – die Reaktionen füllen einen ganzen YouTube-Kanal.

»Von der Alchemie im Energiespeicher bekommt man am Steuer nichts mit.«

Um ein Ampelduell zu gewinnen, braucht man den „Aberwitz-Modus“ aber gar nicht, aufs Gas latschen reicht. Das gilt auch für unser Model 3 in Long-Range-Ausführung. Es sieht äußerlich nicht so aus, hat aber alles, was für Quartermile-Akzeleration notwendig ist: Ein kräftiger Elektromotor vorn und hinten, ein tiefer Schwerpunkt durch den gut 700 kg schweren 75-kWh-Akku, der ein Doppelleben als Bodenplatte führt, und eine smarte Leistungselektronik, die eine schnelle Entladung des Akkus erlaubt, ohne dass die Zellen zu schmoren beginnen. Die Zellchemie will auch mit permanenter Klimatisierung bei Laune gehalten werden, es darf weder zu kalt noch zu heiß werden.

Von den alchemistischen Vorgängen in den Mitochondrien des Energiespeichers bekommt der Mensch am Steuer freilich nichts mit, es herrscht stets Ruhe an Bord in diesem karg eingerichteten, etwas glatt und kühl wirkenden Innenraum – allein das digitale Kaminfeuer eines Touchscreens in XXL vermag Millennials und technoaffine Oldies zu wärmen.

Der Innenraum des Barracuda ist indes schon für den Saunagang vorgeheizt. Aus den Endrohren mag nur das urige Brabbeln eines großvolumigen V8 dringen, aber vorn im Motorraum wird ein 416-Cubic-Inch-Bigblock bei Laune gehalten. Wie eine Mannschaft von Arbeitern in einer kleinen Werkshalle sind unter der Motorhaube Dutzende mechanische Komponenten zugange    – spürbar, hörbar, fühlbar. Das ganze Auto erschauert im Takt der großen Maschine, von der man glauben könnte, sie diente primär der Wärmegewinnung.

Aber ganz eigentlich wurden Autos wie dieses gebaut, um Gummi von Hinterreifen in großen Portionen auf die Straße zu schmieren, um mit viel Leistung und Unmengen von Low-End-Torque die Quartermile im zwanglosen Duell am Sonntagnachmittag als Erster wegzubeißen. Die späten Sixties sind die goldene Ära der US-Muscle-Cars, und Plymouth hat ganz vorn mitgemischt. Sprit war billig, die US-Autoindustrie feierte ihre Hochkultur. Eigentlich als ein Billigableger von Chrysler wurde Plymouth 1928 gegründet und stets von treuen Fans verehrt, die bei der Marke für ihre hart verdienten Dollars etwas bekamen.

»„Ich kenne jede Schraube
beim Vornamen.“«

Unser Barracuda, Baujahr 1969, gehört dem Wiener Unternehmer Martin Krüger, selbst ein 1967er-Jahrgang. Die zweite Generation des Raubfischs wurde nur drei Jahre lang gebaut, und der Formula S war die heißeste Maschine für die Straße. Martin Krügers Exemplar ist ein klassischer „Barn Find“, ein Scheunenfund, den er im Jahr 2000 in einem ärmlichen Zustand angeschafft und gründlich aufgepeppelt hat. „Ich kenne wirklich jede Schraube beim Vornamen.“ 1000 Mannstunden für die Restauration sind sicherlich nicht zu hoch gegriffen. Martin ist Do-it-yourself-Aficionado, nur die Fensterscheiben sind für die Beschichtung per Post zum Spezialisten gegangen. Das Ding ist heute vermutlich wesentlich besser in Form, als es 1969 fabriksneu aus dem Werk gerollt ist. Motor, Getriebe, Fahrwerk – überall waren Martins ölige Finger dran. Und er weiß die neuzeitliche Unterstützung über YouTube und Internetforen zu schätzen, auf denen sich Geeks aus der ganzen Welt austauschen und tiefer in die Materie dringen, als einer ausgeglichenen Work-Life-Hobby-Balance zuträglich ist. Trotzdem: „Originale Gebrauchsanweisungen sind unerlässlich.“

Der Barracuda schiebt heute gut 400 PS an die Hinterachse, da sollte man am Lenkrad schon genau wissen, was man tut. Das Getriebe bittet manuell durch die fünf Gänge, was einen pfleglichen Umgang mit der Kupplung nahelegt, und mangels jeder Art von Elektronik bleiben einem zur Stabilitätskontrolle nur die eigenen Sensoren, auch sollte man Bordspannung, Wasser- und Öltemperatur im Blick behalten.

Es war die Ölkrise, die der Hetz mit billigem Sprit ein Ende bereitete, die Muscle Cars waren plötzlich Saurier, und mit Plymouth ging es bald bergab. Die Marke wurde unter Daimler-Chrysler-Führung 2001 begraben, aber da war längst kein Leben mehr hinter dem Namen. Zu der Zeit hatte ein gewisser Elon Musk eine eigene Idee von Autos aus Amerika entwickelt, nur ohne Öl, nicht aber ohne den Thrills der alten Haudegen, wie sie dir den Hinterkopf ganz fest in den Polster drücken.

(c) Juergen Skarwan

Let There Be Rock

Das Feuerwerk der klassischen Muscle Cars
endete mit der Ölkrise: Plymouth steuerte neben Roadrunner und GTX den Barracuda bei.

Name: Plymouth Barracuda Formula S
Preis: 195.000 Schilling (neu, 1969)
Motor: V-Achtzylinder, 6817 ccm
Leistung: ca. 400 PS bei 6000 U/min
Gewicht: 1540 kg
0–100 km/h: 5,8 Sekunden
Vmax: 220 km/h
Baujahr: 1969
Verbrauch: ca. 15,0 l/100 km, „oder mehr“

(c) Juergen Skarwan

Kalter Hauch des Elektrozeitalters

Schon 2019 Österreichs meistverkauftes Elektroauto: Teslas Model 3 hat auch in diesem Jahr den Geschmack der E-Community getroffen.

Name: Tesla Model 3 Long Range Dual Motor
Preis: 56.490 Euro
Motor: elektrisch; Allrad
Leistung: 441 PS
Gewicht: 1847 kg
0–100 km/h: 4,6 Sekunden
Vmax: 233 km/h
Akku: 75 kWh
Reichweite: 560 km laut WLTP

("Die Presse - Fahrstil", Print-Ausgabe, 14.11.2020)

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