Hintergrund

Die Saat des "Islamischen Staates": Vom IS-"Kalifat" zum Terror in Wien

Der IS hat mit seiner jahrelangen Propaganda junge Männer radikalisiert. Der Attentäter von Wien war einer von ihnen. Welche Ziele verfolgt der IS? Wie konnte er sein „Kalifat“ errichten, und wie wurde es zerschlagen? Ein „Presse"-Schwerpunkt mit Video-Reportage.

Er ist eine Organisation, die innerhalb des jihadistischen Spektrums als eine der gefährlichsten und extremsten gilt: der sogenannte „Islamische Staat" (IS). Mit militärischer Gewalt errichteten seine Anhänger ihr eigenes Reich, das sich über weite Teile Syriens und des Irak erstreckte. Die Jihadisten herrschten in ihrem eigenmächtig ausgerufenen „Kalifat“ mit Terror. Sie fielen über religiöse Minderheiten wie die Jesiden her. Aber auch viele Muslime, die der IS als Feinde seines totalitären Systems ansah, wurden brutal verfolgt.

Die Ideologen des IS lockten unzählige junge Männer und Frauen aus aller Welt in ihr „Kalifat“. Mehrere tausend davon kamen aus Europa - auch aus Österreich. Sie zogen in das IS-Gebiet, um dort zu kämpfen und die Vision der Jihadisten von einem eigenen Staat in die Realität umzusetzen. Zugleich rekrutiert der IS Attentäter in Europa. Mit ausgefeilter Propaganda hat er maßgeblich zur Radikalisierung zahlreicher junger Männer - auch in Österreich - beigetragen. Der Attentäter, der am 2. November den Anschlag in der Wiener Innenstadt verübte, war einer von ihnen. Die IS hat die blutige Tat des 20-Jährigen für sich in Anspruch genommen. Österreichs Staatsschutzbehörden hatten den Attentäter eigentlich auf dem Radar. Wie die „Presse“ nun erfuhr, waren sie aber uneins darüber, wie gefährlich er wirklich war.

Oft haben die Terroristen, die nun im Namen des IS in Europa zuschlagen, gar keinen direkten Kontakt mehr zu den Strukturen der Jihadisten in Syrien oder im Irak. Sie agieren einzeln oder in kleinen Gruppen, angetrieben von den Aufrufen der IS-Propagandisten.
Der Wiener Attentäter befand sich, so wie andere junge Männer, in einem Deradikalisierungsprogramm. Dabei wird versucht, in Gesprächen die Ideenwelt des IS zu widerlegen. Er wurde nicht als „deradikalisiert“ eingestuft.

Welche giftige Ideologie verbreitet der IS, die auch den Attentäter von Wien beeinflusste? Wo liegen die Ursprünge des IS? Wie hat er es geschafft, sein „Kalifat“ zu errichten? Und wie wurde es wieder zerschlagen?

„Presse"-Redakteur Wieland Schneider hat in den vergangenen Jahren mehrmals Syrien und den Irak bereist, um vom Kampf gegen den IS zu berichten. Er machte diese Videoreportage aus Nordsyrien, aus der letzten Rückzugsbasis der Jesiden im Nordirak und von der Front vor Mossul.

Abu Musab al-Zarqawi: der Urvater des IS

Seine Wurzeln hat der IS im Irak. Als Urvater der Extremistenorganisation gilt der Jordanier Abu Musab al-Zarqawi. Er war so wie viele andere Jihadisten in Afghanistan aktiv. Wegen der US-Offensive in Afghanistan nach den Anschlägen vom 11. September 2001 floh Zarqawi in den Irak. Dort hielt er sich mit seinen Getreuen in Biyara versteckt, einem Bergdorf im Nordirak direkt an der Grenze zum Iran. Im Zuge des US-Feldzuges gegen den Irak 2003 wurde Zarqawi erneut aus seinem Unterschlupf vertrieben: Kurdische Kämpfer rückten mit US-Luftunterstützung in Biyara ein.

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