Ex-Wifo-Chef: Senioritätsprinzip hindert ältere Arbeiter

LINDAHL
(c) AP (Jim Cole)
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Die traditionell mit dem Alter steigende Einkommenskurve hindert viele Firmen daran, ältere Arbeitnehmer zu behalten, meint der ehemalige Chef des Wifo. Für ÖGB-Chef Foglar gibt es kein Senioritätsprinzip.

Die Arbeitswelt müsse auf die alternde Gesellschaft reagieren und Ältere länger in den Arbeitsprozess einbinden, um die Sozialsysteme weiter zu finanzieren. Dabei müssten Vorurteile und Diskriminierungen abgebaut werden, hieß es bei den Reformgesprächen des Europäischen Forum Alpbach am Dienstag. "Jung, dynamisch, erfolgreich" - diese Klischee-Vorstellung in Manager-Köpfen müsse abgebaut werden, forderte Peter Faulstich, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg: "Die Jüngeren rennen vielleicht schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung", sieht er Vorteile durch längeres Arbeiten auch für die Unternehmen.

Staudinger: Dichte Jahre "entzerren"

Ursula Staudinger, Professorin an der Jacobs Universität Bremen, tritt für eine "Entzerrung" der dichten Jahre von 30 bis 50 Jahre ein, in die Kinder, Karriere und Elternpflege gepackt werden müssten. Arbeitnehmer sollten auch noch mit 50 Jahren Chancen auf Karriere haben, während derzeit Mitarbeiter über 35 kaum mehr für einen Aufstieg in Betracht gezogen werden. Wichtig sei das Umfeld: "In Unternehmen mit negativem Altersbild haben ältere Mitarbeiter geringere Motivation." Das biologische Alter der Menschen liege meist unter dem Lebensalter, durch Maßnahmen wie regelmäßiges Ausdauertraining könne sogar das Gehirn "verjüngt" werden.

Senioritätsprinzip Hindernis für Firmen

In der Praxis sei das Senioritätsprinzip ein Hindernis, ältere Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten, meinte Helmut Kramer, früher Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und heute Leiter der Plattform für interdisziplinäre Alternsfragen. Verantwortlich dafür sei das frühere Modell der steigenden Lebenseinkommenskurve - ausgehend von einen Hauptverdiener, der sein ganzes Arbeitsleben im selben Unternehmen verbringt. Wenn Ältere heute doppelt so viel verdienten wie jüngere, würden sie vom Unternehmen eben nicht behalten bzw. in die Pension gedrängt.

Foglar: Es gibt kein Senioritätsprinzip

Diesen Thesen widersprach ÖGB-Chef Erich Foglar: Bei Arbeitern gebe es gar kein Senioritätsprinzip, auch bei Angestellten sei es schon stark abgeschwächt. Das im internationalen Vergleich mit rund 58 Jahren niedrige Pensionsantrittsalter in Österreich entstehe durch die hohe Zahl der Invaliditätspensionen, weise also auf ein Gesundheitsproblem hin. Kramer hingegen glaubt, dass viele über die Invaliditätspension in die Pension "flüchten". Gerade bei der Gesundheitsvorsorge und der Unfallprävention werde in Österreich sehr viel geleistet, betonte Renate Römer, Obfrau der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) Wien und selbst Unternehmerin. Von körperlicher Schwerarbeit am Bau oder in der Pflege sollten Arbeitnehmer nach 10, 15 Jahren in andere leichtere Tätigkeiten wechseln können.

In Deutschland sei das Pensionsantrittsalter in den letzten Jahren auf immerhin 63 Jahre gestiegen, weil das Senioritätsprinzip zurückgenommen worden sei und am Arbeitsmarkt in einigen Bereichen Fachkräftemangel herrsche. Dadurch wollten immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter länger halten, erläuterte Staudinger.

Manche wollen länger arbeiten

Ob die Menschen überhaupt länger arbeiten wollen, darüber gingen die Meinungen auseinander. Es hänge wohl stark von den Arbeitsbedingungen ab, ob jemand "sein Hobby länger bezahlt ausüben kann" oder sich bereits mit 55 Jahren aus der bezahlten Arbeit ausklinken wolle, meinte Faulstich. Die Mehrheit der Österreicher wolle nicht länger arbeiten, aber es gebe auch keine finanziellen Anreize des Pensionssystems dafür, bemängelte der Ökonom Kramer.

(APA)


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