Studienformen

Abschied vom Mag. jur.?

Auch in der Juristerei beginnt der traditionelle Magister langsam dem Bachelor-Master-System zu weichen. Personalberatern zufolge achten Arbeitgeber ohnehin mehr auf Fähigkeiten und legen den konkreten Titel nicht auf die Goldwaage.
Auch in der Juristerei beginnt der traditionelle Magister langsam dem Bachelor-Master-System zu weichen. Personalberatern zufolge achten Arbeitgeber ohnehin mehr auf Fähigkeiten und legen den konkreten Titel nicht auf die Goldwaage.Getty Images/iStockphoto
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Das Jusstudium gilt als eine der letzten Bastionen des Magister-Abschlusses. Inzwischen werden jedoch erste Bachelors und Masters der Rechtswissenschaften ausgebildet.

So vielfältig Österreichs Studienlandschaft auch geworden ist: In klassischen Studienrichtungen werden oft alte Muster beibehalten. Dass im Herbst die Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Pilotversuch ein Bachelor-Master-Studium der Rechtswissenschaften gestartet hat (zusätzlich zum weiter bestehenden Diplomstudium mit Magister-Titel), kann also als ungewöhnlich bezeichnet werden – zumindest für eine öffentliche Universität. Die einzige Möglichkeit, in Österreich ein „Bologna-konformes“ Jusstudium zu absolvieren, bestand bisher an der Sigmund Freud Privat Universität Wien (SFU). Aus dem dort seit 2016 angebotenen Studium gingen vergangenes Jahr die ersten Bachelors hervor.

Im neuen Linzer Bachelor- Master-Programm starteten gerade die ersten 70 Studierenden. Zum Aufnahmetest waren 115 Interessenten angetreten. Die Nachfrage ist wenig verwunderlich, da dieses Programm kostenlos ist, organisatorisch und inhaltlich in vielen Bereichen Ähnlichkeiten zum Programm der Privatuni aufweist. Die Linzer Rechtswissenschaftliche Fakultät will eine fundierte kernjuristische Ausbildung bieten, allerdings mit Fokus auf Methodenkompetenz. „Es geht um juristisches Können, nicht um – ohnehin unrealistisch gewordene – möglichst umfassende Kenntnisse über den Rechtsstoff“, sagt Dekan Michael Mayrhofer. Außerdem wolle man unter dem Stichwort „Procedural Justice“ auf Interdisziplinarität setzen und Bereiche einbeziehen, die für viele juristische Berufe essenziell seien, etwa Psychologie. Auch auf neue Technologien wird ein Schwerpunkt gesetzt. Ein Asset dürfte zudem die Möglichkeit sein, schon während des Masterstudiums das Gerichtspraktikum zu absolvieren.

Neu ist auch der Studienaufbau: Insbesondere die zentralen Fächer wie Zivilrecht und Öffentliches Recht begleiten die Studierenden während des gesamten Studiums, Praxisübungen verbinden die Fächer miteinander. „Dabei werden Fälle aus der Perspektive unterschiedlicher Fächer behandelt, etwa ein Verkehrsunfall aus zivilrechtlicher, strafrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Perspektive“, so Mayrhofer. Das Pilotstudium richtet sich ausschließlich an Vollzeit-Studierende. Für Berufstätige und Personen mit Betreuungsverpflichtungen wurde an der JKU vor einigen Jahren ein Multimedia-Studium der Rechtswissenschaften entwickelt.

Erstes Fazit

Als Vollzeit-Präsenzstudium wird das Jusstudium der SFU angeboten. Hier hier soll das Masterstudium ebenfalls den Zugang zu allen juristischen Kernberufen – Rechtsanwalt, Richter, Notar und Staatsanwalt – eröffnen. Schlagworte auch hier: Interdisziplinarität, Praxisorientierung, individuelle Betreuung – eine Jahrgangsgruppe besteht aus 40 Studierenden. Fünf Jahre nach Start des Experiments eines Jusstudiums nach Bologna-Modell fällt das Fazit des Vizedekans der Fakultät für Rechtswissenschaften, Konrad Lachmayr, sehr positiv aus. „Wir fühlen uns im eingeschlagenen Weg bestätigt: verstärkte Ausbildung für die Praxis, aber auch starker Schwerpunkt in der Wissenschaft sowie innovative Rechtsdidaktik.“ Die Aufteilung der großen Fächer über einen langen Zeitraum habe sich bewährt. „Die Studierenden befassen sich etwa mit Zivilrecht oder Öffentlichem Recht durchgängig fünf Jahre lang.“ Die Absolventen seien dadurch besser auf die juristische Praxis vorbereitet. Und auch wenn das Jusstudium ein wenig als Fremdkörper an einer Privatuniversität, die primär mit dem Ziel gegründet wurde, die Psychotherapiewissenschaft in Österreich zu etablieren, wirkt: Es ist plausibel, dass gerade an einer solchen Einrichtung die Förderung kommunikativer und mediatorischer Fähigkeiten gut gelingen könnte.

Offen bleibt für Lachmayer vorerst die Frage nach der Akzeptanz der Bachelor-Absolventen. Da an der SFU kaum jemand das Studium mit dem Bachelor beendet habe, könne man noch keine Aussagen treffen. Laut Vizedekan entstehe durchaus ein Markt, der bisher von Personen ohne juristische Ausbildung besetzt wurde, etwa in Versicherungen, in der Verwaltung, im Journalismus.

(K)eine Frage des Prestiges

Aus der Sicht von Personalberatern dürfte sich jedenfalls die in Juristenkreisen verbreitete Meinung, ein Bachelor oder Master der Rechtswissenschaften sei mit weniger Prestige behaftet als ein „Mag. jur.“, relativiert haben. Für Headhunter seien ohnehin oft Weiterbildung, Soft Skills und das Auftreten von Bewerbern entscheidender als deren Studium, sagt Florens Eblinger, Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Eblinger & Partner. „Für unsere Kunden ist es in den meisten Fällen nicht wichtig, ob jemand schnell, im Ausland, in Innsbruck, Graz oder Wien studiert hat – und vermutlich auch nicht, ob er das Jusstudium mit Magister oder Bachelor abschließt. Eine ähnliche Diskussion hatten wir vor rund 20 Jahren mit den Fachhochschulen. Auch diese wurden in der Privatwirtschaft schnell voll anerkannt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2020)

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