Unterwegs

Moskauer Großprojekte

Der Nordkaukasus ist gesegnet mit hohen Bergen, heilenden Quellen und beeindruckenden Wasserfällen.
Der Nordkaukasus ist gesegnet mit hohen Bergen, heilenden Quellen und beeindruckenden Wasserfällen. (c) imago images/ITAR-TASS
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Russland will aus einer Konfliktregion eine Tourismusdestination machen. Im Nordkaukasus verändert Moskauer Geld die lokalen Lebenswelten.

Berühmt gemacht haben den Nordkaukasus vor allem seine Konflikte: Krieg in Tschetschenien, Kampf gegen Islamisten in Dagestan, Geiselnahme in Beslan. Doch gesegnet ist die Region darüber hinaus mit hohen Bergen, heilenden Quellen und beeindruckenden Wasserfällen. Dank Regionalentwicklung auf Kreml-Art wird das Gebiet im russischen Süden seit einiger Zeit erschlossen. Tourismus lautet das Zauberwort. Und wie schon in Sotschi ist die Devise: Klotzen, nicht kleckern.

Im Bergort Archys lässt sich das in Echtzeit beobachten. Archys ist ein Dorf in der russischen Teilrepublik Karatschai-Tscherkessien, in der neben Russen das Volk der Karatschaier, Tscherkessen und viele andere kleine Gemeinschaften leben. Seit einiger Zeit trägt Archys den offiziellen Titel „Nordkaukasus-Kurort“. Seither rotieren dort Lkw und Bagger. Wald wird abgeholzt, auf Hügeln werden Gondelbahnen hochgezogen, Hotels auf die grüne Wiese gestellt. Spa-Relax unter Baulärm. „Das gehört alles den Moskauern“, sagen die Lokalen, die von den Investments bisher wenig profitieren.

Freude herrscht jedoch über die neuen Landstraßen, „die Russland gebaut hat“, wie ein Karatschaier sagt. Es klingt, als spräche er von einem fernen Land. Auch viele Karatschaier leben vom Tourismus. Anders als die Moskauer Großprojekte ist ihr Business klein und handgestrickt. Sie betreiben Läden und backen Hitschiny, dünne Teigfladen mit Füllung. Sie vermieten Pferde und lenken Offroader auf zerfurchten Wegen durch abgelegene Täler. Was werden sie tun, wenn erst alle Straßen geteert sind?

jutta.sommerbauer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2020)

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