Angst kann lähmen und krank machen, aber sie ist auch lebenserhaltend, sagt Kriminalpsychologe Thomas Müller. Er rät dazu, seinen Ängsten nicht aus dem Weg zu gehen, um kein „schweißgebadetes Nervenbündel" zu werden.
Seit dem islamistisch motivierten Anschlag vergangenen Montag hat man den Eindruck, dass die Bevölkerung in Wien und Österreich zusammengerückt ist – das lässt sich nach derart schrecklichen Ereignissen oft beobachten, überall auf der Welt. Genauso wie der Umstand, dass dieser Zusammenhalt irgendwann auch wieder nachlässt. Was steckt hinter diesem Phänomen?
Thomas Müller: Jeder von uns hat seine ganz persönlichen Ängste. Wenn ich 20 Personen nach ihren drei größten Ängsten frage, würden wahrscheinlich alle unterschiedliche Antworten geben, die für die jeweils anderen kaum nachvollziehbar sind. Das zu erkennen und zu akzeptieren führt in außergewöhnlichen Zeiten wie diesen zu einer wichtigen Einsicht.
Sie meinen den Perspektivenwechsel. . .
Ja, denn es steht uns nicht zu, über die Ängste der anderen zu urteilen und diese zu werten. Meine größte Angst kann für Sie banal und bedeutungslos wirken. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen. Bei einem Ereignis wie dem Anschlag in Wien rücken wir als Gesellschaft deshalb zusammen, weil die Ängste der Menschen für einen kurzen Zeitraum die gleichen sind.