Lockdown

Die neuen Regeln: Was ab Dienstag gilt

Das Bild kennt man bereits: Bundes- kanzler Kurz, Vize- kanzler Kogler, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer ver- künden am Samstag im Bundeskanzler- amt den zweiten strengen Lockdown.
Das Bild kennt man bereits: Bundes- kanzler Kurz, Vize- kanzler Kogler, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer ver- künden am Samstag im Bundeskanzler- amt den zweiten strengen Lockdown.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Kapazitäten der Krankenhäuser sind bald erschöpft, in wenigen Tagen droht die Notwendigkeit der Triage. Ein zweiter Lockdown ist das einzige verlässliche Mittel, das wirkt, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Der „Lockdown light“ Anfang November hat nicht ausgereicht, angesichts immer noch steigender Infektionszahlen und zunehmender Kapazitätsprobleme in den Krankenhäusern zieht die Regierung die Notbremse und verhängt einen harten Lockdown, der von Dienstag bis vorerst 6. Dezember gilt.

Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündete am Samstag um 16:30 Uhr – in der üblichen Viererrunde mit Vizekanzler Werner Kogler, Innenminister Karl Nehammer und Gesundheitsminister Rudolf Anschober – die neuen Regeln. Und er fügte einen Appell an: „Meine eindringliche Bitte ist: Treffen Sie niemanden.“ Je konsequenter die Bevölkerung den Lockdown durchziehe, desto schneller werde er wirken. Ein zweiter Lockdown sei das einzige verlässliche Mittel, das gegen die Ausbreitung der Infektion wirkt. Es gelte auch, das Weihnachtsfest zu retten.

Zuvor hatten Mediziner eindringlich vor Auslastungsproblemen in der Intensivmedizin gewarnt: Sollte keine Trendumkehr gelingen, werde es bereits „in den nächsten Tagen die Situation einer Triage“ geben, sagte Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin bei einer Pressekonferenz Samstagmittag. 567 Betten von 2000 Intensivbetten sind bereits mit Covid-19-Patienten belegt. Triage würde bedeuten, dass nicht alle, bei denen intensivmedizinische Behandlung sinnvoll ist, diese auch bekommen können. Die Ärzte müssen dann entscheiden, wer noch ein Intensivbett erhält. Um das zu verhindern, gelten ab Dienstag folgende Einschränkungen:

Schule

Die im Vorfeld besonders umstrittene Frage war, ob die Schulen weiterhin offen haben. Nicht nur Unterrichtsminister Heinz Faßmann, sondern auch viele Experten und die Ampelkommission haben sich dafür ausgesprochen. Trotzdem ist jetzt die gegenteilige Entscheidung gefallen: Auch Volksschulen, Neue Mittelschulen und die Unterstufe der Gymnasien wechseln ab Dienstag in den Fernunterricht. Für die Oberstufen und Unis galt das ja schon zuvor. Die Schulen werden eine Betreuung für jene Kinder anbieten, die nicht zu Hause betreut werden können. Dabei wird es aber – im Gegensatz zum Frühjahr – nicht nur „Notbetreuung“ geben: In den Schulen werden „Lernstationen“ eingerichtet, in die die Eltern ihre Kinder auch tageweise schicken können. Umgekehrt können Lehrer für einzelne Schüler den Besuch dieser Lerngruppen auch anordnen. Das soll vor allem Kindern aus benachteiligten Haushalten helfen. Im Distance Learning soll nichts Neues durchgenommen, sondern bereits Gelerntes vertieft werden. Schularbeiten, die in den kommenden drei Wochen vorgesehen waren, werden verschoben und können notfalls auch völlig abgesagt werden.

Ausgangsbeschränkung

Die derzeit geltenden Ausgangsbeschränkungen in der Nacht (20 bis 6 Uhr) werden auf den ganzen Tag ausgedehnt. Das bedeutet: Man muss einen Grund haben, um seine Wohnung oder sein Haus zu verlassen. Diese Gründe sind allerdings recht weit gefasst – vor allem wenn man die Situation mit Ausgangsverboten in anderen Ländern vergleicht. Die Wohnung verlassen darf man unter anderem zu beruflichen Zwecken, um Familienangehörigen zu helfen, einkaufen zu gehen, und zur körperlichen und psychischen Erholung. Auch andere Menschen darf man dabei treffen – nicht unbegrenzt, aber doch: Der Kontakt mit „einzelnen engsten Angehörigen oder anderen wichtigen Bezugspersonen“ ist weiterhin möglich, so mit diesen „in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird“. Und wie weist man das nach? Laut Verordnung sind die Gründe gegenüber den Sicherheitsorganen „glaubhaft zu machen“.

Verlässt man seine Wohnung, so ist jedenfalls wieder ein Sicherheitsabstand von einem Meter zu anderen nicht haushaltszugehörigen Personen einzuhalten. In geschlossenen Räumen (Ausnahme: Privatwohnungen) muss man zusätzlich einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Entgegen dem ersten Lockdown ist übrigens die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht auf berufliche Zwecke beschränkt.

Geschlossene Geschäfte

Wie im Frühjahr müssen nun auch der Handel, körpernahe Dienstleistungsbetriebe (wie Friseure, Massageinstitute) und Freizeiteinrichtungen schließen. Ausnahmen gelten für die Grundversorgung, geöffnet bleiben der Lebensmittelhandel, Drogerien, Apotheken, Trafiken, Banken und die Post.

Krankenhäuser, Heime

Beim ersten Lockdown waren gar keine Besucher erlaubt, diesmal sehr eingeschränkt: Bewohner von Alters- und Pflegeheimen sowie Patienten in Krankenhäusern dürfen im Normalfall einmal die Woche einen Besucher empfangen. Diese Besucher müssen entweder einen aktuellen negativen Covid-Test vorweisen oder eine medizinische Schutzmaske (CPA) tragen.

Ausnahmen bei der Besucherbeschränkung gelten für Patienten, die in Palliativ- oder Hospizbetreuung sind, für Seelsorge, Bewohnervertreter in Heimen oder unterstützungsbedürftige Personen. In Krankenhäusern können Kinder von bis zu zwei Personen begleitet oder besucht werden, bei Schwangerschaft und Geburt ist ein Begleiter erlaubt. Auch für das Personal gelten strenge Regeln: Jede Woche muss ein Antigen- oder PCR-Test durchgeführt werden.

Sport

Der Amateursport wird wieder ausgesetzt, das Betreten von Sportanlagen ist für Freizeit- und Amateursportler nicht mehr erlaubt. Alle Kontaktsportarten sind untersagt, so auch Fußball. Individual- und Freizeitsport im Freien bleibt erlaubt, sofern es dabei nicht zu Körperkontakt kommt. Ausnahmen gibt es für den Profisport: Sportler werden regelmäßig getestet, Vereine müssen, wie schon bisher, ein Präventionskonzept vorlegen und einhalten.

Religionsausübung

Relativ wenige Beschränkungen gibt es weiterhin für die Religionsausübung. Bei den Ausgangsbeschränkungen gilt „die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse“ ausdrücklich als Ausnahmen. Eingeschränkt sind lediglich Begräbnisse: Da sind maximal 50 Besucher erlaubt. Allerdings gab Kurz bekannt, dass die Religionsgemeinschaften von sich aus, Messen etc. für die kommenden drei Wochen aussetzen werden. Demonstrationen sind zugelassen, und zwar ohne Beschränkung der Teilnehmerzahlen.

Arbeitsplatz

Wo es möglich ist, wird Home-Office empfohlen. Arbeitet man doch im Unternehmen, so ist ein Ein-Meter-Abstand vorgeschrieben. Ist dieser nicht möglich, ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend.
Die Pläne der Regierung stoßen bei den Oppositionsparteien auf fundamentale Kritik. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner wertete die Maßnahmen als Schuldeingeständnis für das totale Versagen der Regierung im Covid-Management. Ähnlich die FPÖ. „Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer versuchen, unsere Republik zu Grabe zu tragen“, so Klubchef Kickl. Neos-Chefin Meinl-Reisinger sprach vom „Versagen“ der Regierung. Ihr einziger Job in den vergangenen Monaten sei gewesen, den zweiten Lockdown zu verhindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2020)

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