Corona

Kurz kündigt Massentests vor Weihnachten an

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SLOVAKIA-HEALTH-VIRUSAPA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
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Kanzler Sebastian Kurz nimmt sich die Slowakei als Vorbild und will große Teile der Bevölkerung testen. In der Slowakei gab es Ausgangssperren für Testverweigerer; bei uns sind die Pläne noch unklar.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte am Sonntag Massentests zur Eindämmung der Corona-Epidemie an: Anfang Dezember sollen vorerst die Lehrer getestet werden, um eine reibungslose Wiederöffnung der Schulen am 7. Dezember gewährleisten zu können. In einem zweiten Schritt soll es noch vor Weihnachten eine noch größere Testaktion geben. Als Vorbild nannte der Kanzler dabei die Slowakei: Das Nachbarland hat in der Vorwoche versucht, die gesamte Bevölkerung zwischen zehn und 65 Jahren durchzutesten.

Wie weit Österreich diesem Vorbild folgen wird, ist allerdings noch nicht bekannt. Aus dem Bundeskanzleramt hieß es am Sonntag dazu, man werde jetzt eine Teststrategie ausarbeiten. Details sollen Ende dieser Woche bekannt gegeben werden. Damit ist vieles noch unklar: Soll die gesamte Bevölkerung getestet werden oder nur bestimmte Gruppen? Wie will man das organisatorisch auf die Beine stellen? Soll es eine Verpflichtung zum Test geben? „Auf Zwang werden wir sicher nicht setzen“, heißt es dazu aus dem Kanzleramt.

Assistenzeinsatz des Bundesheers

Mit dem Vorgehen der Slowakei habe man sich schon länger beschäftigt. Auch Österreich war dort beteiligt: Soldaten des Bundesheers haben die Slowakei bei den Tests unterstützt. Und das Bundesheer soll auch in Österreich Assistenzleistungen erbringen. Aber wie weit kann Österreich überhaupt dem slowakischen Beispiel folgen? Anders als vorerst vom Bundeskanzler für Österreich angekündigt, begann die Slowakei nicht mit einzelnen Berufsgruppen wie Lehrern. Das Ziel war von Anfang an, alle über zehn Jahre alten Bewohner möglichst lückenlos zweimal durchzutesten.

Dass sich tatsächlich 3,6 Millionen der 5,5 Millionen Einwohner in der ersten Runde der formell freiwilligen Tests teils mehrere Stunden in Warteschlangen stellten, lag vor allem an der strengen Ausgangssperre: Wer keinen negativen Test vorweisen konnte, durfte nicht einmal zur Arbeit gehen. Erst am nun vergangenen Wochenende lief diese Ausgangssperre aus, um den steigenden Unmut in der Bevölkerung zu besänftigen. Ministerpräsident Igor Matovič hatte anfangs auch mit dem Versprechen für eine Test-Teilnahme geworben, dass sich damit ein Lockdown verhindern lasse. Tatsächlich blieben aber die meisten Veranstaltungen verboten, Restaurants und Schulen in der Woche nach den Tests weitgehend geschlossen.

Wie aber ist es gelungen, einen Großteil der Bevölkerung durchzutesten? Die Teststationen wurden, soweit technisch möglich, überall dort eingerichtet, wo auch Wahllokale vorgesehen sind. Die Regie führte das Verteidigungsministerium, Soldaten waren für Hilfstätigkeiten eingeteilt, die Hauptlast trugen aber die lokalen Behörden, die dafür Tausende Freiwillige anheuerten. Viele Bürgermeister beschwerten sich, sie seien mit einem beispiellosen organisatorischen Kraftakt allein gelassen worden. Die größte Schwierigkeit war der Mangel an medizinisch geschultem Personal.

Ausgehverbot für Ältere

Für Personen über 65 Jahren empfahl die Regierung keine Test-Teilnahme. In der Praxis hätte das aber zugleich ein Ausgehverbot für Ältere bedeutet, weshalb viele von diesen lieber doch zu den Tests gingen. Denn nur Kinder durften sich danach auch ohne Test relativ frei im Land bewegen.

Der Erfolg der Massentests ist umstritten. Während Matovič darauf verweist, dass seine Idee von Liverpool bis Südtirol und nun auch Österreich Bewunderer und Nachahmer finde, kritisierten die Ärztekammer und viele Experten den viel zu großen Aufwand im Vergleich zum erreichten Effekt. Das ohnehin finanziell und personell seit Jahren ausgezehrte Gesundheitssystem sei auf Kosten anderer Aufgaben völlig überlastet worden. Der tatsächlich feststellbare Rückgang an Infektionen sei mehr eine Folge der zum Großteil schon vor den Tests verfügten Ausgangsbeschränkungen und Restaurant-Schließungen, sagen viele Experten. Außerdem seien die Statistiken durch den Effekt der Massentests verzerrt, weil viele Menschen mit Corona-Verdacht nun nicht zu den PCR-Tests gegangen seien – sie mussten ja ohnehin zum Massentest. Für die Statistiken, die die Slowakei an das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) weitermeldet, werden nämlich nur die PCR-Tests herangezogen, nicht aber die in den Massentests verwendeten Antigen-Schnelltests.

In Österreich reagierte die Opposition zwiegespalten auf die Ankündigung von Kurz: Die Neos begrüßten die Massentests, die FPÖ lehnt sie als Vorstufe zu einer „Zwangsimpfung“ ab. Zurückhaltend äußerte sich der Koalitionspartner: Man befinde sich derzeit mitten im Arbeitsprozess über die Vorgehensweise nach dem Lockdown, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne): „Ein wesentlicher Teil davon können Massentests sein.“

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