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Miss Piggy wird zur Influencerin

Schnell noch etwas Rouge: Miss Piggy weiß, worauf es vor der Kamera ankommt.
Schnell noch etwas Rouge: Miss Piggy weiß, worauf es vor der Kamera ankommt.Disney+
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Die „Muppets“ nehmen auf Disney+ jetzt Blogger und Unterhaltungsshows aufs Korn – und wecken gute Erinnerungen an chaotisch-charmante Fernsehmomente.

Klar muss sich Miss Piggy schrecklich aufregen. Das quirlige Schweinchen, das schon in den 1970er-Jahren in der „Muppet-Show“ mitwirkte, hat nichts an Charakter und Energie eingebüßt. Also brüllt sie herum, weil das Insert für ihren Lifestyle-Blog falsch geschrieben ist – was ihr knurriger Assistent, der aussieht wie eine Riesenmilbe, auf das Grafikteam aus Litauen schiebt. Dass sie gerade im Livestream ihren Charakter entblößt, ist Piggy herzlich egal. Hauptsache, es dreht sich alles nur um sie.

In „Und jetzt: Die Muppets“ gestalten Piggy und ihre Freunde eine – gewohnt chaotische – Internet-Show. Und was spielt die pummelige Piggy (die so frisch aussieht, als wäre sie gerade der Waschmaschine entstiegen) für eine Rolle? Sie wird Influencerin. Salbungsvoll erklärt sie den Zuschauern nicht nur, welches Outfit sie wählen sollten und wie man die Wangen rosig hält (besserwisserisch war sie schon immer), sondern empfiehlt auch – dem Zeitgeist entsprechend – bei mangelndem Selbstwert mehr Selbstfürsorge. Bei Piggy hilft zum Beispiel ein Früchtebecher gegen Stress, „und Streusel machen alles besser“. Wer könnte da widersprechen?

Maulwurf mit Käse und Chili

44 Jahre nach ihrem ersten Auftritt nehmen die Muppets wieder einmal die Unterhaltungsbranche aufs Korn, nur dass sich der Fokus auf Blogs, YouTube und Internetformate verlagert hat. Wegweisend waren die charmanten Puppen schon immer. Der schwedische Koch, der sein „Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm“ vor sich hin trällerte, war in den Siebzigern eine kauzige Persiflage auf aufkommende Kochshows. Das Genre boomt derzeit wieder – also ist auch der irrwitzige „Swedish Chef“ mit den strubbeligen Augenbrauen mit dabei. Obwohl er immer noch nicht kochen kann. Statt ein mexikanisches „Chicken mole“ bereitet er in seiner Verwirrung einen Maulwurf (Englisch: mole) zu, der mit Käse und Chili garniert wird, dann aber doch nicht im Kochtopf landet. Es sind Absurditäten wie diese, die die Muppet-Show von Anfang an prägten – und die Fans auch heute noch erfreuen. Aber sie funktionieren oft nur im englischen Original (das man bei Disney+ anwählen kann).

Dass sich Kermit der Frosch, Scooter, Gonzo und Fozzie Bär Gäste einladen und Talkformate persiflieren, hat ebenfalls Tradition – auch wenn die Eingeladenen früher berühmter waren: Elton John sang in der „Muppet Show“, Peter Sellers oder Sylvester Stallone waren Gast. Da ist in der neuen Show noch viel Luft nach oben. Einst begrüßten die Muppets ihr Publikum in einem Theater – man vermisst die bissigen Kommentare, die die beiden Grantscherm Waldorf und Statler von der Loge aus abgaben.

Kermit aber ist so liebenswert wie früher – und wenn ihm etwas nicht passt, zieht er seine entzückende Schnute. Miss Piggy hingegen beleidigt ihre Gäste und schlägt zu, wenn sie in Rage gerät. In Schwierigkeiten können die Muppets aber nicht geraten, denn sie haben jetzt sogar einen juristischen Berater: Joe, das Amtswiesel. Er kontrolliert, ob Kermit alle Warnhinweise richtig verliest, und schaut Doktor Bunsen auf die Finger, wenn er wieder einmal etwas in die Luft jagt. „Nicht ohne Anwalt“, ist Joes Motto. Auch das ein trefflicher Kommentar zum Unterhaltungsbusiness von heute.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2020)

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