Das Handelsabkommen zwischen London und Brüssel muss bald stehen. Sonst kann die Vereinbarung nicht rechtzeitig ratifiziert werden.
Brüssel. Trotz jüngster Fortschritte bei den Brexit-Verhandlungen steht laut dem britischen Chefunterhändler ein Erfolg noch in den Sternen. Via Twitter berichtete Unterhändler David Frost am Sonntag, dass sich die Gespräche jüngst in eine „positive Richtung bewegt“ hätten. Ein Entwurf für ein gemeinsames Abkommen stehe zwar in weiten Teilen, doch dies gelte für bedeutsame Elemente „eben noch nicht“. Es gelte, auf dem Vereinbarten aufzubauen und – falls möglich – eine Gesamtübereinkunft zu erzielen. „Doch werden wir womöglich nicht erfolgreich sein“, fügte Frost skeptisch hinzu.
Frost meldete sich bei seiner Ankunft in Brüssel, wo er sich mit seinem EU-Kollegen Michel Barnier zu einer neuen Gesprächsrunde verabredet hatte. Der britische Umweltminister, George Eustice, mahnte indes zur Eile: „Diese Woche muss sich etwas bewegen“, sagte er. Es müsse zumindest in einigen Streitpunkten einen Durchbruch geben. Ansonsten renne die Zeit davon und es werde mit der Umsetzung schwierig. Zugleich betonte er, dass die britische Regierung das umstrittene Binnenmarktgesetz voranzutreiben gedenke. Dies gilt als ein großer Stolperstein bei den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über die künftigen Handelsbeziehungen. Das geplante Gesetz soll laut Premierminister Boris Johnson als Sicherheitsnetz dienen, falls die laufenden Verhandlungen mit der EU keine abschließende Regelung über den Warenhandel zwischen der britischen Insel und der Provinz Nordirland und über die offene Grenze zum EU-Mitglied Irland erzielen.
Streit um Fischereirechte
Das Gesetz würde London die Möglichkeit geben, die im Brexit-Vertrag bereits festgeschriebene Regelung auszuhebeln, nach der in Nordirland auch künftig EU-Zoll-Regeln gelten sollen. Die EU will mit der Regelung auch ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts vermeiden. Der irische Außenminister, Simon Coveney, sagte, falls London an dem Gesetz festhalte, könne die EU kein Handelsabkommen ratifizieren. London breche internationales Recht.
Nach dem EU-Austritt ist Großbritannien nur noch bis Ende 2020 in einer Übergangsphase, in der weiterhin EU-Regeln gelten. Über die künftigen Beziehungen samt Freihandelsabkommen wird seit Monaten ohne Ergebnis verhandelt, weshalb die Wirtschaft ab Anfang 2021 Chaos und steigende Zölle befürchtet. Als größte Knackpunkte gelten die Fischereirechte sowie Garantien für einen fairen Wettbewerb. (Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2020)