Gastbeitrag

Umsatzersatz: Wie lange hält die 800.000-Euro-Grenze?

Lockdown II
Lockdown IIAPA/BARBARA GINDL
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Der vorerst für die Gastronomie gedachte Höchstbetrag kann bei größeren Handelsbetrieben zu Liquditätsproblemen führen. Die EU-Kommission plant aber, mehr zu erlauben. Das könnte auch Österreich zum Handeln zwingen.

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Die Richtlinien für den „Lockdown-Umsatzersatz“ für den Handel gibt es bekanntermaßen noch nicht. Der für Gastronomiebetriebe geltende beihilfenrechtliche Höchstbetrag von 800.000 Euro wird wohl (vorerst) auch für den Handel gelten. Damit stehen größere Handelsbetriebe aufgrund des Lockdowns vor massiven Liquiditätsproblemen, egal welchen Prozentsatz ihres Umsatzes sie ersetzt erhalten.

Vorgaben des EU-Beihilfenrechts

Die Vorgaben zum „behilferechtlichen Höchstbetrag“ entstammen dem EU-Beihilfenrecht. Nach Art 107 Abs 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) sind staatliche Beihilfen grundsätzlich verboten. Aber es gibt Ausnahmen.

Die in Art 107 Abs 2 AEUV abschließend aufgezählten sogenannten Legalbeihilfen (z. B. Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher; Beihilfen zur Beseitigung von Notständen oder außergewöhnlichen Ereignissen) sind mit vorheriger Genehmigung durch die Europäische Kommission ausdrücklich erlaubt. Daneben gibt es gemäß Art 107 Abs 3 AEUV sogenannte Ermessenbeihilfen (z. B. Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates), die mit dem Binnenmarkt vereinbar und daher zulässig sein können. Die Europäische Kommission muss auch diese Beihilfen genehmigen.

Brüssel hat Rahmen schon mehrmals modifiziert

Im Hinblick auf Ermessensbeihilfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde von der Europäischen Kommission mit Mitteilung vom 19.03.2020 ein „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19“ festgelegt. Dieser Rahmen wurde schon mehrmals (03.04., 08.05., 29.06. und 13.10.) modifiziert.

Zusätzliche befristete Beihilfemaßnahmen sind nach diesen Mitteilungen mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn die Mitgliedstaaten nachweisen, dass die Beihilfemaßnahmen eine beträchtliche Störung in ihrem Wirtschaftsleben beheben. Die Beihilfe ist nach diesen Vorgaben nur dann mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie in Form von direkten Zuschüssen, rückzahlbaren Vorschüssen, Steuervorteilen oder Vergünstigungen in Bezug auf andere Zahlungen 800.000 Euro je Unternehmen nicht übersteigt. 

Abweichende Regeln werden länger geprüft

Von diesem Rahmen abweichende Regelungen führen zu einer längeren Prüfung durch die Kommission, weswegen die Mitgliedstaaten versuchen, ihre Förderungsinstrumente entsprechend dem Befristeten Rahmen zu gestalten. Bei Übereinstimmung erfolgt die Genehmigung durch die Europäischen Kommission in der Regel binnen weniger Tage.

Die Anmeldung alternativer Maßnahmen – sowohl Beihilferegelungen als auch Einzelbeihilfen, wie etwa Einzelförderungen über mehr als 800.000 Euro – wäre aber grundsätzlich für die Republik trotz der Vorgaben des Befristeten Rahmens weiterhin möglich.

Fixkostenzuschuss II noch nicht genehmigt

Der Fixkostenzuschuss I wurde von der Kommission als Legalbeihilfe genehmigt. Der Befristete Rahmen kommt auf diese Art der Beihilfe nicht zur Anwendung, sie sind nicht auf die zulässige Gesamtförderung von 800.000 Euro anzurechnen. Diese Zuschüsse sind bei Geltendmachung des Umsatzersatzes nicht gegenzurechnen. Die Verlängerung des Fixkostenzuschusses (Fixkostenzuschuss II) wurde bislang von der Europäischen Kommission abgelehnt, weil er nach ihrer Ansicht viel zu allgemein gehalten ist. Die Kommission will diese zweiten Fixkostenzuschussbeihilfen nur als Teil der Gesamtförderungen, also bis zum Betrag von 800.000 Euro pro Unternehmen genehmigen. Dies würde den geplanten Umsatzersatz für größere Unternehmen weiter reduzieren.

Wie geht es weiter?

Die Europäische Kommission hat sich bereits mit den Mitgliedstaaten in Verbindung gesetzt und eine Änderung des Befristeten Rahmens angekündigt. Die Europäische Kommission plant, die Obergrenze auf bis zu zwei Millionen Euro zu erhöhen.

Es ist daher anzunehmen, dass es zu einer Änderung des Befristeten Rahmens kommen wird und ein deutlich höherer Umsatzersatz geleistet werden kann. Ob die Regierung von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, beibt abzuwarten. Eine innerstaatliche Erhöhung des Maximalbetrages ist aber schon deshalb anzunehmen, weil die nur teilweise Ausnutzung des erlaubten Rahmens gerade bei einer Prozentregelung zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Handelsunternehmen verschiedener Größe führen könnte.

Vor dem Hintergrund des zweiten Lockdowns ist es überdies auch nicht ausgeschlossen, dass die Europäische Kommission ihre Einstellung zum Fixkostenzuschuss II ändert und diese Beihilfen ohne Anrechnung auf die Obergrenze genehmigt.

Zum Autor

Univ.-Prof. Dr. Georg Eisenberger ist Partner der Eisenberger Rechtsanwälte GmbH.

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