Die geringen Infektionszahlen erstaunen Europa. Abstandhalten ist in Finnland keine Aufforderung, sondern Lebenskultur. Und 2,5 Millionen Menschen vertrauen einer Corona-App.
Abstand ist das oberste Gebot für Finnen. Das gilt nicht erst seit Ausbruch der Coronakrise, sondern seit jeher. Es ist gelebte Kultur des 5,5-Millionen-Einwohner-Landes, das mit 338.440 Quadratkilometern viermal so groß ist wie Österreich und keine Ballungsräume kennt. Finnen lieben die Stille. Gedränge ist verpönt, das Anstellen in Apotheken, Banken und auf jedem Dorfmarkt ein Muss.
Das soziale Verhalten hilft. Europa staunt über einen Rekordwert in der zweiten Coronawelle: Das „Land der 1000 Seen" zählt die niedrigsten Infektionsraten auf dem Kontinent. Am Dienstag lag die kumulierte 14-Tage-Zahl der Covid-19-Neufälle pro 100.000 Einwohner bei 54,7. In Österreich war es das Zwanzigfache.
Was sind die Gründe dafür? Allein der Abstand kann es ja nicht sein. Fest steht, dass es die Finnen anders machen als die Schweden, nämlich um einiges restriktiver. Die Grenze zum umstrittenen Nachbarn in Lappland wird penibel kontrolliert. Sicherlich nützen in dieser Situation auch die geografische Randlage und die verhältnismäßig dünne Besiedelung. Doch auch das sind nur ein paar von mehreren Erklärungen, warum Finnland besser abschneidet als der Rest von Europa. Welcher Faktor entscheidet?
Wie in Österreich gab es auch im März einen Lockdown, den Ministerpräsidentin Sanna Marin (35) für zwei Monate verhängte. Reisen in die und aus der Hauptstadt Helsinki (640.000 Einwohner) waren verboten – alle Landsleute folgten ohne Murren.