Die vierte Staffel der exzellenten Netflix-Serie „The Crown“ ist die, auf die man gewartet hat: Endlich stößt Diana zur königlichen Familie. Es geht in der Serie um mehr als um Adel und Ruhm.
Die erste Begegnung von Prinz Charles und Diana in der vierten Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ ist geradezu romantisch: Charles ist zwar gekommen, um sich mit Dianas älterer Schwester zu treffen. Aber durch die Eingangshalle des herrschaftlichen Hauses huscht dann die junge Lady Diana Spencer, kostümiert als „magischer Baum“ für eine Schulaufführung von Shakespeares „Sommernachtstraum“, und versteckt sich hinter Blumenarrangements. Sie ist neugierig auf diesen Prinzen, der sich nicht binden will. Man wechselt ein paar Worte, ein Lächeln keimt auf beiden Gesichtern. Man weiß: Von Romantik wird bei dem Paar nichts bleiben. Selbst wenn die königliche Familie entzückt ist von der jungen Adeligen und auf eine Heirat drängt: Charles (Josh O'Connor) liebt eine andere, Camilla Parker Bowles, verheiratet und deswegen nicht angemessen für den Thronfolger.
Diana, gespielt von der Newcomerin Emma Corrin, ist eine von drei Frauen, die diese Staffel dominieren. Die zweite ist freilich Königin Elizabeth II. In Staffel drei und vier wird sie von Olivia Colman verkörpert, die dieses Mal noch besser in ihre Rolle gefunden hat (ab Staffel fünf wird sie von einer älteren Schauspielerin ersetzt: Imelda Staunton). Die dritte ist Margaret Thatcher. Gillian Anderson spielt die britische Premierministerin manchmal an der Grenze zur Karikatur. Aber vielleicht war sie auch so? Unerbittlich, perfektionistisch und kalt, „Iron Lady“ wurde sie auch genannt. „Frauen sind für hohe Ämter nicht geeignet“, sagt Thatcher in ihrer ersten Audienz mit der Queen, „sie sind zu emotional.“
Die Kälte des Adels
Der Konter der Queen – „Dieses Problem werden Sie mit mir nicht haben“ – verrät viel über die Faszination an der Serie. Der Verstand dominiert das Gefühl, in der gesamten königlichen Familie. Umarmt die Queen ihre den Tränen nahe Tochter? Oder ihren gemobbten Sohn? Natürlich nicht, es gibt höchstens einen Klaps auf die Schulter.
Diese Kälte ist unnachahmlich, man glaubt sie typisch für den Adel, insbesondere für den britischen. Die Königsfamilie missbilligt die Serie angeblich (offiziell äußert sie sich nicht): Sie sei mehr Fiktion als an Fakten orientiert. Die Eckdaten stimmen jedenfalls, und man traut Drehbuchautor und Serienmacher Peter Morgan durchaus diesen Insider-Blick zu, schrieb er doch auch den Film „The Queen“, in dem es um die Königin nach Dianas Tod geht.
Echt oder nicht, man wirft gerne einen Blick hinter die Fassade dieser Mächtigen, die man aus dem Medien kennt und doch nicht weiß, wie sie ticken. Ihre Welt wirkt abgeschlossen, die des Hochadels insgesamt – selbst für eine Premierministerin. In „The Crown“ stapft Thatcher einmal im blitzblauem Kostüm der Königin in Schottlands Bergen hinterher. Sie hat nicht daran gedacht, Wanderkleidung mitzubringen. Die Royals spotten über den Fauxpas und empfangen Diana, die Tochter eines Earl, die ausschließlich Wanderschuhe eingepackt hat, mit – verhältnismäßig – offenen Armen.
Zu welcher Gelegenheit man was anzieht, wie man wen grüßt, was man sagt und was besser nicht – die Etikette ist ein Minenfeld und will gelernt sein. „Bei diesen Fehlern bist du tot“, warnt Dianas Großmutter ihre Enkelin einmal. Das „gesellschaftlich“ sagt sie nicht dazu, es ist eins für sie. Absurd, anachronistisch. Fesselnd, wie schon in „Downton Abbey“, quasi der netten Schwesternserie von „The Crown“.
Was treibt diese Menschen an? „Die Krone muss gewinnen. Muss immer gewinnen“, riet Königin Elizabeths Großmutter der jungen Monarchin in Staffel eins. Egal, für wen das Herz schlägt. Egal, wofür man eine Passion hat. Erbe und Machterhalt sind wichtiger. Die Überbetonung der Pflicht gegenüber der Familie, die man zu erfüllen hat, steht im Widerspruch zu dem Lebensgefühl jener, die sich die Serie ansehen: Dieser Pöbel möchte sich selbst verwirklichen! Trägt Sneakers und sagt zu allen einfach „Hallo“. Die Sentenz „Quod licet Iovi, non licet bovi“ wird quasi umgedreht: Die Rindviecher dürfen sich im Vergleich viel mehr erlauben.