Handelsimmobilien

Lockdown könnte Tausenden Geschäften das Leben kosten

APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Verkauf von Retail-Immobilien wird angesichts des zweiten Lockdown zäher. Experten erwarten eine Welle von Mietverhandlungen. Das dicke Ende dürfte erst im nächsten Jahr kommen, heißt es bei Otto Immobilien.

Das coronabedingt veränderte Einkaufsverhalten und die behördlichen Schließungen bringen den stationären Einzelhandel unter Druck. Umsätze gehen in Richtung Internet verloren. Das wirkt sich auch auf den Verkauf und die Vermietung von Handelsimmobilien aus, wie Otto Immobilien in seinem aktuellen Marktbericht festhält. "Der Lockdown könnte zu Tausenden Geschäftsschließungen führen", befürchten die Immo-Experten. Der heimische Einzelhandel befinde sich an einem Wendepunkt.

"Mit dem jetzt verordneten zweiten Lockdown wird sich die Situation für viele Händler noch einmal deutlich verschlechtern, sodass in naher Zukunft Tausende Geschäfte in ganz Österreich schließen könnten", so die Experten für Einzelhandelsimmobilien laut dem seit Dienstag vorliegenden Retailmarkt-Bericht.

Im ersten Lockdown im Frühjahr seien in Österreich rund 73 Prozent (10,3 Millionen Quadratmeter) der gesamten Verkaufsfläche stillgelegt worden. Der stationäre Handel habe täglich 140 Millionen Euro brutto an Umsatz eingebüßt. In der Gastronomie waren es dem Bericht zufolge 60 Millionen Euro pro Tag.

Massive Verluste hätten vor allem die Branchen Bekleidung, Schuh, Leder und Elektronik sowie die Geschäfte in den Tourismus-Hotspots erlitten. Wesentlich stabiler entwickelten sich Nahversorger, Baumärkte, der Sporthandel, Drogerien und handelsnahe Dienstleister. Für die Bestandsgeber von Shop-Flächen wird der monatliche Verlust auf etwa 200 Millionen Euro (Miete und Betriebskosten) geschätzt, so Otto Immobilien unter Verweis auf Daten der RegioPlan Consulting.

Kreative Ideen gefragt

Das dicke Ende dürfte erst im nächsten Jahr kommen. "Die Folgen des ersten Lockdowns wurden durch diverse Unterstützungen und Stundungsmaßnahmen lediglich aufgeschoben und werden wahrscheinlich erst im ersten Halbjahr 2021 schlagend werden", erwartet der Leiter des Bereichs Immobilienvermarktung Gewerbe bei Otto Immobilien, Patrick Homm. Für den zweiten Lockdown, der neben der Gastronomie die Schließung des gesamten Non-Food-Handels von 17. November bis 6. Dezember 2020 verordnet, rechne der Österreichische Handelsverband einen weiteren Umsatzentfall von 900 Millionen  Euro pro Lockdown-Woche. Fraglich ist laut Homm auch, wie erfolgreich das Weihnachtsgeschäft nach der Wiedereröffnung aufgrund fehlender Touristen sowie der Zurückhaltung der einheimischen Bevölkerung sein wird.

Auch für die Eigentümer der Handelsimmobilien ändere sich die Situation durch die Coronakrise. Zu erwarten seien "teilweise deutlich längere Vermarktungszeiten". Um diese auch nachhaltig vermieten zu können, seien "kreative Ansätze und Ideen dringend gefragt".

Infolge der Corona-Pandemie wird die Vermarktung von Geschäftsflächen den Immobilienexperten zufolge "in Zukunft komplexer, genauer analysiert und länger dauern". Das wirkt sich auch auf den Investmentmarkt im Retailbereich aus. Das umgesetzte Volumen lag hier heuer in den ersten drei Quartalen laut Otto Immobilien mit 265 Mio. Euro und fast ein Drittel (31 Prozent) unter dem Vorjahresniveau. Fast alle Verkäufe hätten in der ersten Jahreshälfte stattgefunden und seien noch vor dem Ausbruch der Pandemie angebahnt worden, berichtete der Leiter des Bereichs Investment bei Otto Immobilien, Christoph Lukaschek.

"Aus Angst vor dem neuerlichen Lockdown und durch die komplett neue Marktsituation droht allerdings eine weitere Welle von Mietverhandlungen, die sich auch stark auf den Investmentmarkt auswirken", so Lukaschek. Die Renditen für Einkaufszentren und Fachmarktzenten seien in den letzten Monaten um 50 bis 100 Basispunkte gestiegen, mit einer Erholung sei derzeit nicht zu rechnen. "Für ein Highstreet-Objekt in Wien liegt die maximale Zahlungsbereitschaft der Investoren bei einer Rendite von 4,6 Prozent, wobei diese für Trophy-Objekte in absoluten Spitzenlagen auch noch deutlich darunter liegen kann", so Lukaschek.

Coronakrise als Brandbeschleuniger

Die Coronakrise ist nach Einschätzung von Otto Immobilien lediglich ein "Brandbeschleuniger für einige längst fällige Entwicklungen" des stationären Einzelhandels und hat in einigen Bereichen Schwächen schonungslos aufgezeigt. Auch bereits bestehenden Trends seien weiter befeuert worden. So zeichne sich etwa eine Konzentration des Einzelhandels auf 1-A-Lagen, Kernzonen und Top-Einkaufsstraßen ab. B- und C-Lagen, also Geschäfte an weniger guten Adressen mit weniger Kundenfrequenz dürften noch mehr unter Druck geraten und verstärkt eine Nahversorgungsrolle einnehmen. Doch neben Einkaufsstraßen seien auch Shopping-Center gefordert, ihren Branchen- und Mietermix aufrechtzuerhalten.

Einige Retailer sind aber laut Otto Immobilien "höchst adaptionsfähig" und versuchen mit ideenreichen Lösungen, die Zukunft ihres stationären Vertriebskanals zu optimieren. Künftig würden auch "hybride Lösungen, also die gänzliche Vermischung aus online und stationär, unumgänglich sein", so die Retail-Experten. Das Ergebnis dieser Omni-Channel-Welt werde eine Verkleinerung der Verkaufsflächen, Mietpreise für "Schaufenster" statt für Verkaufsflächen, eine häufigere Einbindung von Gastronomie in Shops, um die Verweildauer und -qualität zu erhöhen, aber auch kreative Pop-up-Stores und mobile Verkaufsflächen sein, erwartet Anthony Crow, Teamleiter Retail bei Otto Immobilien.

(APA)

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