Nahost

Irak und Saudiarabien öffnen erstmals seit 1990 regulären Grenzübergang

APA/AFP/Iraq Border Authority/-
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Am Mittwoch wurde nahe der saudischen Stadt Arar der Grenzverkehr mit dem Irak feierlich wiederaufgenommen. Im Irak gibt es Widerstand wegen befürchteter saudischer Einflußnahme, Gewaltakte gegen Fahrzeuge auf der Fernstraße sind möglich.

Dieser Mittwoch im November ist ein historischer Tag im Norden der Arabischen Wüste: Erstmals seit 30 Jahren haben der Irak und Saudiarabien wieder einen regulären Straßen-Grenzübergang miteinander eröffnet. Dabei handelt es sich um den Übergang bei Arar, einer Stadt mit vielleicht 170.000 Einwohnern in der dünn besiedelten westlichen Grenzregion.

Hohe Politiker und Beamte beider Seiten waren anwesend, darunter Iraks Innenminister und der saudische Botschafter in Bagdad. Sie sahen zu, wie nach der formellen Öffnung lange Reihen von Lkw und Kleintransportern, die teils seit Stunden gewartet hatten, auf beiden Seiten der Grenze losfuhren.

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Die Haupt-Grenzstation befindet sich etwa 60 Straßenkilometer nordöstlich der Stadt Arar auf saudischem Gebiet. Von dort aus sind es etwa fünf Kilometer zur eigentlichen Staatsgrenze, wobei auf der irakischen Seite noch ein großer Checkpoint ist. Von Arar führt eine relativ gut ausgebaute Überlandstraße zur einsamen irakischen Wüstenstadt an-Nuchaib (rund 190 Kilometer). Dort gabelt sie sich; eine Piste führt gen Osten ins Zweistromland nach Kerbala und Bagdad, die andere nach Norden, wo sie in die große Fernstraße mündet, die Bagdad im Osten mit Jordaniens Hauptstadt Amman im Westen verbindet, samt einer Abzweigung nach Damaskus und anderen syrischen Städten.

Arar wiederum ist über Fernrouten mit weiteren Städten Saudiarabiens inklusive Riad und Mekka, mit dem Persischen Golf, Kuwait, Bahrain, dem Roten Meer und Jordanien verbunden, zudem gibt es dort einen Flughafen.

Abgesehen von der Straße bei Arar führt nur eine weitere über die gemeinsame Grenze, etwa 290 km südöstlich nahe der saudischen Stadt Rafha, aber es gibt dort keinen regulären Übergang.

Die Schlacht von Khafji

Die Saudis hatten die Grenze zum Irak nach der irakischen Besetzung Kuwaits im Sommer 1990 geschlossen. Im Jänner und Februar 1991 kam es zu einer großen Schlacht auf saudischem Gebiet, als drei irakische Divisionen einen Blitzangriff aus Kuwait heraus geführt und die saudische Stadt Khafji am Persischen Golf erobert hatten. Saudische, katarische und kuwaitische Bodentruppen zerschlugen mit Unterstützung von US-Marines sowie US-, britischen und andere Kampfflugzeugen die Iraker und warfen sie über die Grenze zurück.

Seither war die etwas mehr als 800 Kilometer lange Grenze zwischen beiden Ländern nur noch sporadisch offen, typischerweise für Mekka-Pilger oder aus humanitären Gründen. Daran änderte auch der Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein 2003 im Zuge der US-geführten Invasion nichts. Hauptgrund war, dass die Saudis den mehrheitlich ethnisch schiitischen sowie auch politisch von Schiiten dominierten nördlichen Nachbarn samt dessen Verbindungen zum Iran als Bedrohung sahen; dazu kamen die langjährigen bürgerkriegsartigen Zustände im Irak nach 2003.

Starke Grenzsicherungsanlagen

Die Saudis zogen - letztlich vor allem ab 2014 - starke Grenzschutzanlagen hoch, mit Zäunen, Sandwällen, Gräben, Wachtürmen, elektronischen Überwachungssystemen am Boden, Drohnen in der Luft und schnell verlegbaren Wacheinheiten, um ein Einsickern von schiitischen Islamisten und sunnitischen Kriegern des IS zu verhindern. Überhaupt verläuft auf saudischer Seite parallel zur gesamten Grenzlinie von Kuwait bis Jordanien eine Straße, wo sich Grenzwachen und Militär schnell bewegen können.

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2017 setzte ein Tauwetter ein, es kam zu Reisen hoher Politiker beider Seiten ins jeweils andere Land und zur Aufnahme des Flugverkehrs. Dennoch spießte es sich weiter bei der Frage der Grenzöffnung bei Arar.

Neue Handelsalternative

Für den Irak bedeutet die Öffnung der Grenze nach Süden eine neue (alte) Handels- und Versorgungsroute, die die kommerzielle Bedeutung des Irans, des wichtigsten regionalen Handelspartners, verringern könnte. Gerade deswegen haben die mächtigen pro-iranischen Kräfte im Irak die Grenzöffnung zu den Saudis bisher hintertrieben. In öffentlichen Aussagen etwa hieß es, die Saudis wollten sich über Arar „einschleichen", die Rede war gar von „Kolonialismus". Nach Drohungen besteht sogar die Gefahr von Anschlägen auf Fahrzeuge, die aus Saudiarabien über die Grenze fahren.

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Iraks Premierminister, Mustafa al-Kadhimi hingegen, ein parteiloser Politiker und schiitischer Pragmatiker mit guten Kontakten zu den Saudis, hieß saudische Investionen willkommen, ausdrücklich auch mit dem Hinweis, dass diese Jobs im Lande kreieren würden. Zudem hofft er auf saudische Hilfe bei der Sanierung der meist maroden Infrastruktur im Irak, nicht zuletzt im Energie- und Ölförderbereich.

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