Architektur

Offene Treffpunkte statt Elfenbeinturm

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Universitäten und Schulen werden zunehmend als lebendige Zentren des urbanen Lebens konzipiert.

Es ist das wohl prominenteste Universitätsgelände Österreichs: jenes der Wirtschaftsuni beim Wiener Prater. Täglich ist es im Intro von „Wien heute“ im ORF zu sehen, auch Filme und ein „Tatort“-Streifen wurden dort schon gedreht. Nicht nur Studierende sind anzutreffen, sondern auch Touristen, die das Areal rund um das „Library and Learning Center“ der Stararchitektin Zaha Hadid als Attraktion bestaunen. Kein Wunder: Das Gelände verkörpert idealtypisch den Selbstverständnis-Wandel von Bildungsanstalten – vom Ort der reinen Faktenvermittlung hin zu Stätten des Zusammentreffens und des sozialen Lernens.

Idee des Miteinanders

Anstelle abgeschotteter und weltfremder Elfenbeintürme präsentieren sich nicht nur Universitäten, sondern auch Schulen vermehrt als offene Campusflächen, die mit gastronomischem Angebot und konsumfreien Zonen ein Treffpunkt und ein Platz zum Verweilen für die gesamte Öffentlichkeit sein sollen – „ein lebendiger Teil der Stadt“, wie man seitens der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die derzeit rund 100 Universitätsbauprojekte in Österreich begleitet und auch den WU-Campus mitentwickelt hat, die Vorgabe definiert. Und auch im Schulbereich ist der Campus-Gedanke mittlerweile angekommen: In Graz entstehen „Bildungscampusse“ in den neuen Stadtentwicklungsgebieten Reininghaus und Puntigam, und in Wien umfasst das Bauprogramm „Campus plus“ drei bereits fertige Standorte. Sechs weitere sind im Bau und neun in der Planungsphase. Gemeinsam ist diesen Konzepten wiederum die Idee des Miteinanders. „Alle Einrichtungen – Kindergarten, Volksschule, Mittelschule – schaffen in pädagogischen Teams Angebote für Kinder von null bis 14 Jahren, ohne Mauern und Zäsuren“, fasst Michaela Zlamal, Sprecherin von (Noch-)Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky, zusammen. „Die Bereiche sind aber für die Öffentlichkeit geöffnet.“ In Zusammenhang damit steht der Trend zu flexibler Raumgestaltung: Mehrere Nutzungsformen sind unter einem Dach vereint, wobei die Strukturen im Laufe des Lebenszyklus des Gebäudes variiert werden können, um sich veränderten Anforderungen anzupassen.

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Ein Vorzeigebeispiel hierfür ist das Biologiezentrum der Universität Wien in St. Marx, das sich gerade im Bau befindet. Die Zwischenwände sind installationsfrei und können jederzeit versetzt werden, sodass bei Bedarf aus Büros Laborräume werden und umgekehrt. Ähnlich funktioniert das „House of Schools“ am Linzer Campus.

Neue Unterrichtsformen

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Immobilien(C) David Schreyer

Im Schulbereich ist Multifunktionalität ebenfalls ein integrierter Bestandteil des Campus-Gedankens – in Wien unter anderem am Standort Berresgasse, in Graz im neu gestalteten Smart-City-Quartier. Auch dort ermöglicht die architektonische Konzeption der Schule, „dass innovative Unterrichtsformen und die individuelle Förderung der Kinder unterstützt werden“, wie der Grazer Schulstadtrat Kurt Hohensinner die pädagogischen Vorzüge herausstreicht. Was Bildungsbauten der Zukunft ebenfalls können müssen, ist, Atmosphäre zu schaffen. „Es bedarf einer hohen Aufenthaltsqualität, denn immerhin sind mehr als 50 Prozent aller Schüler in ganztägigen Schulformen untergebracht und verbringen hier viele Stunden“, sagt Hohensinners Pressesprecher Michael Wildling. Ein Experiment haben die Grazer am Schulstandort Straßgang gewagt: Schon vor Coronazeiten wurde dort der Sauerstoffgehalt der Atemluft kontinuierlich gemessen, um die Fenster zu öffnen, wenn Werte erreicht werden, die das Lernen schwierig machen.

Zudem versucht man, mit in die Architektur integrierten Kunstwerken ein lernförderndes Ambiente zu kreieren. An der Grazer Volksschule Triester wurde eine denkmalgeschützte Decke aus dem Palais Attems, die mit einem Jagdmotiv verziert ist, eingebaut. Und an den Universitäten gibt es das Projekt „Kunst & Bau“, in dessen Rahmen bisher 15 Unis mit Kunstwerken ausgestattet wurden – jüngst der neue Bibliothekstrakt in Graz, wo ein großflächiges Gemälde der Künstlerin Anna Artaker das gesamte Vordach des Eingangsbereichs ziert.

Nachhaltigkeit im Fokus

Nicht zuletzt ist ökologische Nachhaltigkeit ein Thema, an dem Bauvorhaben im Bildungsbereich nicht vorbeikönnen. Hans-Peter Weiss, CEO der Bundesimmobiliengesellschaft: „Seit Beginn dieses Jahres setzen wir bei unseren Universitätsvorhaben einen Standard in Bezug auf Nachhaltigkeit, der signifikant über den gesetzlichen Anforderungen liegt.“ Er verweist exemplarisch auf das „House of Schools“, ein Ensemble aus drei Gebäuden, die nach den Entwürfen des Architekturbüros Querkraft bis 2023 auf dem Campus der Johannes Kepler Universität in Linz entstehen werden: „Heizung und Kühlung erfolgen über Tiefensonden in Kombination mit Wärmepumpen, die vorgesehene Fotovoltaik-Anlage erzeugt die Energie für die Heizung im Sommer und für die Kühlung im Winter.“

Regenerative Energie

Der Neubau der Technischen Universität in der Leopoldstadt, der noch vor Jahresende fertiggestellt werden soll, arbeitet energieautark im Niedrigstenergiehaus-Standard. Und der Med-Campus in Graz wird ebenfalls mittels Erdwärme geheizt und gekühlt. Dazu wurden mehr als 100 Geothermiesonden 125 Meter tief in der Erde installiert. Ergänzt wird die Energiebereitstellung durch die Nutzung der Abluft aus Seminar- und Computerräumen. Ähnlich soll der in Planung befindliche Schulcampus in der Seestadt Aspern nach seiner Fertigstellung funktionieren.

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Immobilien(C) Florian Voggeneder

„Bei Schulsanierungen steht die Nutzung von Sonnenenergie automatisch auf dem Programm“, sagt Sprecherin Michaela Zlamal. In Graz wird der Schulcampus Puntigam über eine begrünte Fassade verfügen. Und auch bei der Baustoffwahl wird zunehmend klimaschonend gedacht: Das vor zwei Monaten eröffnete Seminargebäude der Universität für Bodenkultur im 19. Wiener Bezirk ist das erste universitäre Holzgebäude, das in der Bundeshauptstadt errichtet wurde. „Es speichert rund 1000 Tonnen CO2 und wirkt damit wie ein Wald“, freut sich Rektor Hubert Hasenauer.

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