U-Ausschuss

Korpsgeist, Treueschwüre und ein Verräter

Wirecard BPK der Firma Wirecard. CEO Dr. Markus Braun Aschheim Bayern Deutschland *** Wirecard BPK of the company Wirec
Wirecard BPK der Firma Wirecard. CEO Dr. Markus Braun Aschheim Bayern Deutschland *** Wirecard BPK of the company Wirec(c) imago images/argum (Falk Heller, via www.imago-images.de)
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Ex-Wirecard-Chef Markus Braun führte laut Kronzeuge der Staatsanwaltschaft ein „streng hierarchisches System“.

Der U-Ausschuss um den Fall Wirecard startet am heutigen Donnerstag mit einem Knalleffekt. Der Ex-Manager Oliver Bellenhaus hat ausgepackt. Doch der Kronzeuge wird am Donnerstag nur per Video zugeschaltet – Blickkontakt mit seinem früheren Vorgesetzten Markus Braun könnte die Ermittlungen gefährden, fürchtet die Münchner Staatsanwaltschaft. Ex- Wirecard-Boss Braun hingegen muss persönlich vor dem Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages in Berlin erscheinen.

Bisher saß der Wiener in Augsburg in Untersuchungshaft. Während Ex-Vorstand Jan Marsalek unauffindbar scheint, gilt Braun nun für die Ermittler als Strippenzieher im Betrugsfall um jahrelange systematische Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt hatte er den damaligen Dax-Konzern als Opfer eines groß angelegten Betrugs bezeichnet.

Braun im Mittelpunkt der „Bande"

Doch Bellenhaus macht anscheinend dem Spiel ein Ende. Er war für die Wirecard-Tochter in Dubai zuständig und erklärte den Ermittlern das System Wirecard mit pikanten Details. Als Kronzeuge spricht er von einem „streng hierarchischen System, geprägt von Korpsgeist und Treueschwüren gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden als Führungsperson“. „Braun gab strategische Weisungen und konkrete Geschäftsaktionen vor.“ Die Struktur sei auch von psychischem Druck geprägt gewesen. Das habe sich Braun bei Abweichungen vom Tatplan zunutze gemacht, zusammen mit Marsalek.

Für Braun und den ebenfalls inhaftierten Ex-Finanzmanager von Wirecard habe sich der Kronzeuge laut Staatsanwaltschaft als „Verräter“ erwiesen. „Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen fungierte Dr. Braun innerhalb der Bande als Kontroll- und Steuerungsinstanz“, heißt es in einem E-Mail der Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl an den Untersuchungsausschuss.

Kontakt zur Regierung

Braun weist alle Anschuldigungen zurück. Äußern wird er sich zu den konkreten Vorwürfen wohl nicht. Zeugen müssen sich nicht selbst belasten. Allerdings hat sein Anwalt angekündigt, Braun werde sich zu Kontakten zur Politik und den Behörden äußern. Der Untersuchungsausschuss könnte Versäumnisse der Regierung und ihrer Behörden im Fall Wirecard aufzeigen. Deswegen ist die Kommunikation Brauns und des Konzerns mit der Politik und der Finanzaufsicht höchst interessant. Schließlich hat Braun den Zahlungsdienstleister 18 Jahre lange geprägt. Nach der Aufdeckung des Bilanzlochs trat er im Juni zurück, der Konzern rutschte in die Pleite. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor.

Unterdessen erheben Wirecard-Gläubiger gegen die Kerngesellschaft des insolventen Zahlungsabwicklers Forderungen in einer Höhe von knapp 12,5 Mrd. Euro. Am Mittwoch fand die erste Gläubigerversammlung statt – knapp drei Monate nach der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2020)

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