Kolumne zum Tag

Bewegte Helden in bewegten Zeiten

Man kann dem Aufruf zum Rumgammeln in den eigenen vier Wänden folgen. Muss man aber nicht.

Die Liste der Dinge, die man kürzlich noch für unmöglich gehalten hätte, die aber mittlerweile Realität sind, wird immer länger. Zuletzt hat sich in diese auch eine Kampagne der deutschen Bundesregierung eingereiht. In den Videospots wird das Nichtstun, das Faulsein wie die Waschbären und das Rumgammeln auf der Couch mit Nachdruck beworben. Im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus sollte man am besten mit Softdrinks und Fastfood in den eigenen vier Wänden herumliegen. Denn: „Besondere Zeiten brauchen besondere Helden.“ Doch vielleicht sollte es in bewegten Zeiten auch bewegte Helden geben.

Im ersten Lockdown haben laut Umfragen 21 Prozent der Österreicher ihre Zeit für mehr Sport genützt. Rund die Hälfte ist bei ihrem gewohnten Trainingspensum geblieben. Für das restliche knappe Drittel hat sich nun eine zweite Chance ergeben. In den nächsten fast drei Wochen kann man die in der Abstellkammer versteckte Yogamatte, die im Keller vergessenen Hanteln und den im Eck verstaubten Hometrainer hervorholen.

Denn auch im eigenen Wohnzimmer können kürzlich noch für unmöglich gehaltene Dinge rasch zur neuen Normalität werden. Ich musste das schon im Frühjahr erkennen. Nun scheint sich das Ganze zu wiederholen. Mehrmals pro Woche sehen mich meine Nachbarn beim Blick durchs Fenster nun wieder rauf und runter von meinem robusten Couchtisch steigen, an der Wand im Liegestütz lehnen und meinen gut gefüllten Putzkübel hinauf und hinunter heben. Die Konditions- und Kraftübungen werden dabei vom Trainer via Videokonferenz vorgegeben. Sie können trotz ungewöhnlicher Sportgeräte und überschaubarem Platz ganz schön anstrengend sein.

Nach dem Rumturnen in den eigenen vier Wänden wird man sich aber mit Sicherheit heldenhafter als nach dem Rumgammeln auf der Couch fühlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2020)

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