Streit mit Brüssel

„Wenn wir nachgeben, werden wir zu einer EU-regierten Provinz“

Polen droht mit dem Veto gegen den EU-Haushalt.
Polen droht mit dem Veto gegen den EU-Haushalt.(c) REUTERS (Kacper Pempel)
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Aus Sicht Polens und Ungarns will eine links-liberale EU-Clique ihre Souveränität aufheben.

Warschau. Schaut man dieser Tage in Polen oder Ungarn Staatsfernsehen, so bekommt man das Gefühl, Rechtsstaatlichkeit habe etwas mit der Zwangsaufnahme von Flüchtlingen zu tun. So gesehen etwa in der beliebten polnischen Politiksendung „Nach 20 Uhr“ von „TVP Info“. Nach dem EU-Botschaftertreffen in Brüssel, bei dem Polen mit dem Veto gegen den EU-Haushalt drohte, weil die Auszahlung von EU-Mitteln 2021–27 erstmals mit einer Rechtsstaatsklausel verbunden werden soll, baute TVP-Starmoderator Michal Rachon vor der TV-Kamera zwei Plastikbecher mit kleinen Legosteinen auf. Der eine Becher war zu einem Viertel, der andere ganz voll. Der volle Becher entspreche den 400 Milliarden Zloty des polnischen Staatshaushalts, der andere Becher den 100 Milliarden Zloty, die Polen im Rahmen des Mehrjahreshaushalts 2021–27 jährlich von der EU bekommen solle, erklärte Rachon. „Für diesen kleinen Becher verkaufen wir unsere Souveränität nicht“, machte der Anhänger von Jaroslaw Kaczyńskis Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) klar und eröffnete damit eine TV-Diskussion unter Experten und Politikern.

„Brüssel will, dass Polen Flüchtlinge aufnimmt, und in Weltanschauungsfragen eine liberale Abtreibungsregelung, Euthanasie und Rechte für sexuelle Minderheiten durchsetzt“, behauptet der von PiS unterstützte EP-Abgeordnete Jacek Saryusz-Wolski, Polens einstiger EU-Beitrittsverhandlungschef. „Wenn wir in diesem Streit nachgeben, verlieren wir unsere Staatlichkeit und werden zu einer von der EU regierten Provinz“, überzeugt der Politologe Przemyslaw Zurawski vel Grajewski im regierungs-freundlichen Nachrichtenportal wpolityce.pl.

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