Rare Einblicke in die Phantasmen und Pläne inhaftierter „Gottesstreiter“: Ein Forscher sprach mit 80 Jihadisten in französischen Gefängnissen.
„Achtung, wir Jihadisten sind gerade alle ins Gefängnis gekommen, das gab es in Europa noch nie“, triumphiert Youssef, 28 Jahre alt, inhaftiert in einem Hochsicherheitstrakt im Gefängnis Lille-Annœullin. „Wo haben sich islamistische Bewegungen in ihrer Geschichte reformiert? Im Gefängnis, immer.“ Youssef ist vermutlich mittlerweile frei. Seine Haft, erfährt man im heuer erschienenen Buch „Le jihadisme français“ („Der französische Jihadismus“), laufe bis 2020.
Seit dem Attentat vom 2. November wurde es auch in Österreich zum Thema: Gefängnisse sind ein Hauptort der Radikalisierung geworden. Forscher aber, die sich systematisch hinter die Gefängnismauern begeben, gibt es kaum. Eineinhalb Jahre lang hat der 32-jährige Politikwissenschaftler und Islamismusforscher Hugo Micheron in vier französischen Gefängnissen mit 80 wegen terroristischer Aktivitäten inhaftierten Islamisten geredet, teils in Gruppen, teils in Einzelgesprächen. Und bekam von ihnen freimütig erzählt, wie sie hier an einer neuen Jihad-Version zur Zerstörung des „Westens“ arbeiten und Mitstreiter anwerben.