Morgenglosse

Amazon darf sich freuen – und nein, daran sind nicht die Verbraucher schuld

Wer lesen will, der will es jetzt.
Wer lesen will, der will es jetzt.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ja, man kann drei Wochen warten. Auch auf ein Buch, das man lesen möchte. Aber warum sollte man? Überhaupt, wenn man gerade jetzt - vielleicht allein - zuhause sitzt?

Also sitzen wir wieder alle daheim. In der Freizeit sowieso, und viele arbeiten auch zuhause. Ein bisschen anders fühlt sich das jetzt an als im Frühjahr. Auch weil November ist, weil das Wetter oft grauslich ist und es immer früher dunkel wird. Die Stunde Spazierengehen oder Laufen nach der Arbeit, und selbst der Weg zum Supermarkt, das alles hat im Frühjahr definitiv mehr Spaß gemacht. Da wurden die Tage länger. Da hat man sich trotz allem auf den Sommer gefreut. Das fällt jetzt flach, leider.

Trotzdem, es ist nicht alles schlechter, im Gegenteil. Es werden keine Nudeln mehr gehamstert und kein Waschpulver und kein Klopapier. Die Versorgung wird weiterhin funktionieren, das haben wir gelernt. Und – das Allerwichtigste – wir haben gelernt, dass der Verzicht, den wir jetzt gewungenermaßen üben müssen, nicht sinnlos ist. Die Infektionszahlen werden höchstwahrscheinlich bald deutlich sinken, weniger Menschen werden krank werden, das war im Frühjahr auch so.

Und doch ist das, was wir jetzt tun, kein Fasten. Kein Verzichten um des Verzichts willen. Und darum kann man schon einmal grantig werden, wenn uns Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck angesichts des Streits um Sortimentseinschränkungen im Supermarkt jetzt zuruft, man könne bei vielen Produkten doch auch warten und diese erst in drei Wochen kaufen.

Kann man vielleicht, werden die meisten aber nicht. Warum sollten sie auch. Wessen Kaffeemaschine jetzt eingeht, der braucht gleich eine neue, zumal das Kaffeehaus keine Alternative ist. Und wer jetzt ein Buch lesen will, will es jetzt lesen – solange er oder sie die Freizeit nur daheim verbringt und das vielleicht allein. Nicht in drei Wochen, wenn hoffentlich der Lockdown vorbei ist und man irgendwie den Weihnachtgeschenke-Marathon noch schaffen soll. Hoffen wir, dass dann die Infektionszahlen nicht wieder rapide steigen, aber das ist eine andere Geschichte.

Warum also darf man das Buch nicht genau jetzt im Geschäft seines Vertrauens, drei Ecken weiter, bestellen und beim Spaziergang nach dem Home-Office abholen? Dem Buchhändler würde es helfen, dem Leser auch. Geht nicht? Na gut, dann halt Amazon, wie man es auch sonst gewohnt ist, wenn man etwas – aus welchem Grund auch immer - im Geschäft ums Eck nicht bekommt. Gut für Amazon. Schade für den heimischen Buchhandel. Und nein, es ist nicht die Schuld der Konsumenten.

Wir alle haben geahnt, dass im Herbst wieder ein Lockdown kommen wird oder kommen könnte. Unsere Regierenden nicht? Das glaubt kein Mensch, sorry. Und klar, natürlich ist der Buchhandel im Moment nicht der Nabel der Welt. Trotzdem wäre es fein gewesen, hätte eine Notmaßnahmenverordnung für den Herbst, von der ja alle wussten, dass man sie wahrscheinlich brauchen wird, wenigstens die Dinge erlaubt, die im Frühjahr bereits klaglos funktioniert haben.

Aber vielleicht ändert sich das ja bald, zumindest für den Buchhandel. Wirtschafts- und Gesundheitsministerium seien in Sachen Buch-Abholstationen schon in Abstimmung, hört man. Ja großartig - bitte, danke. Und bitte bald. Noch bevor dieser Lockdown vorbei ist.

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