Materialforschung

Auf dem Weg zu klimafreundlicherem Straßenbau

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Das Erdölprodukt Bitumen ist aus dem Alltag nicht wegzudenken. Sein Einsatz jedoch schädigt das Klima. Forscher eines neuen Cristian Doppler-Labors an der TU Wien suchen daher mit innovativen Methoden nach Möglichkeiten, die Umweltbelastung zu reduzieren.

Auch wenn's nicht ganz so offensichtlich ist: Ohne Bitumen sähe unser Leben mit Sicherheit etwas anders aus. Autobahnen, wie wir sie kennen, gäbe es nicht – denn das schwarze Erdölprodukt hält als Bindemittel die Gesteinskörner im Asphalt zusammen und ermöglicht damit den Straßenbelag. Und bei Häusern findet man es auf dem Dach und im Keller, weil es gut gegen Feuchtigkeit dichtet.

„Doch Bitumen ist ein wesentlicher Treiber der Klimakrise, weil es das in Jahrmillionen gespeicherte CO2 innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit in die Atmosphäre abgibt“, weiß Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. Er leitet gemeinsam mit seinem Kollegen Hinrich Grothe vom Institut für Materialchemie das Christian-Doppler (CD)-Labors für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien, das diese Woche eröffnet wurde.

Ziel der Forschung am neuen Labor ist es daher vorrangig, die Wiederverwertbarkeit des Materials zu verbessern und damit die Menge des neu zum Einsatz kommenden Bitumens zu reduzieren. Für den Klimaschutz wäre das ein gewaltiger Gewinn: Immerhin werden laut Verkehrsministerium allein in Österreich jedes Jahr rund 400.000 Tonnen Bitumen benötigt, rund 80 Prozent davon für den Straßenbau. Brauchbare Alternativen als Bindemittel gibt es nicht.

Methoden wie im 19. Jahrhundert

„Bitumen, dessen Mikrostruktur und chemische Zusammensetzung variieren kann, hat eine durchschnittliche ,Lebensdauer‘ von rund 30 Jahren“, erklärt Hofko. „Es ist als Erdölderivat ein organisches Material und altert daher beim Kontakt mit Sauerstoff, es wird hart, spröde und anfällig für Risse.“ Wenn dann die Straßenarbeiter anrücken, um die brüchig gewordene Fahrbahndecke abzutragen und zu erneuern, können derzeit nur rund 25 Prozent des im Altasphalt vorhandenen Bitumens recycelt werden. „Wir wollen dazu beitragen, diesen Anteil zumindest zu verdoppeln“, gibt der Experte als Richtschnur aus.

Voraussetzung für eine optimale Wiederverwertung ist eine exakte Bestimmung des Materialzustands. Und genau das ist derzeit nur eingeschränkt möglich: Wie im 19. Jahrhundert ist es nämlich auch heute noch Standard, dass beispielsweise der Härtegrad von Bitumen getestet wird, indem man mit Nadeln hineinsticht. Und das, obwohl mittlerweile Methoden wie die Elektromikroskopie oder die Spektroskopie erfunden wurden, mit deren Hilfe man wesentlich genauere Aussagen über Struktur oder Zusammensetzung eines Materials treffen kann. Bloß: Die Bitumen-Analyse blieb davon bislang unberührt. „Bitumen ist schwarz und daher für Licht undurchdringbar“, erklärt der Experte das Problem dahinter. Erst verfeinerte Methoden wie die Streulichtmikroskopie ermöglichen es, diese Hürde zu umgehen.

Große Erwartungen setzen die Forscher überdies in eine weitere technische Neuentwicklung: „Mit unserem tragbaren Fluoreszenz-Scanner haben wir die Spektroskopie vom Labor auf die Straße gebracht“, sagt Co-Laborleiter Grothe. „Wir haben bestimmte Wellenlängen identifiziert, die zuverlässig etwas über den Zustand des Bitumens aussagen.“ In Kooperation mit dem Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität will man darüber hinaus mithilfe mikromechanischer Sensoren neue Methoden entwickeln, um – ebenfalls direkt auf der Straße – die Zähigkeit des Bitumens rasch und genau zu messen.

Hofko sieht im innovativen Messinstrumentarium nicht zuletzt eine Möglichkeit der Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Bitumen. Das könnte die Lebensdauer des Materials erhöhen und auf diese Weise das jährlich benötigte Volumen reduzieren.

Industriekooperationen betreibt das neue Christian-Doppler-Labor dabei unter anderem mit der OMV, dem Kärntner Dachspezialisten BMI Villas und dem Wiener Bauunternehmen Pittel + Brausewetter. „Letztlich wollen wir mit unserer Forschung einen Beitrag leisten zum schonenden und verantwortungsvollen Umgang mit begrenzten natürlichen Ressourcen“, sagt Hofko. „Es geht darum, den CO2-Ausstoß zu begrenzen, das Klima nicht weiter zu belasten und eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen.“

LEXIKON

Bitumen wird bei der Aufbereitung von Erdöl gewonnen und vorwiegend im Straßenbau eingesetzt. Auch wenn im Alltagssprachgebrauch oft davon die Rede ist, dass die Straße „geteert“ wird, so handelt es sich bei dem zähflüssigen schwarzen Material, das als Bindemittel im Asphalt verwendet wird, nicht um Teer, sondern um Bitumen. Teer wurde früher eingesetzt, ist jedoch aufgrund seiner Gesundheitsschädlichkeit seit 1991 verboten. Bitumen wird auch zum Abdichten verwendet und war in dieser Funktion schon den Ägyptern im griechisch-römischen Reich bekannt: Sie setzten es bei der Mumifizierung der Toten ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2020)

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