Spectrum

Verlierer sind nicht sexy

Als Kind zweier Langzeitarbeitsloser aus dem Ruhrgebiet weiß Anna Mayr, wovon sie schreibt, wenn sie von „Elenden“ berichtet. Arbeitslose stehen unter andauerndem Stress. Eine Streitschrift gegen Bedrückung und Scham, Trauer und Peinlichkeit.

Wie werden Arbeitslose wahrgenommen? „Nach etwa drei Jahren Arbeitslosigkeit“, schreibt Anna Mayr, „sieht man ihnen deutlich an, wo sie wohnen, wie sie wohnen und dass ihnen nichts mehr einfällt.“ Sie sind billig gekleidet, konsumieren schlechte Lebensmittel, können am kulturellen Leben kaum partizipieren. Sie werden isoliert, und sie isolieren sich auch selbst, gelten als ausgesondert, sind letztlich nicht geschäftsfähig. Das erschüttert vor allem auch das Selbstbewusstsein. Arbeitslose und ihre Angehörigen wirken lädiert. „Sie stehen jetzt unter andauerndem Stress.“

Die Autorin, Jahrgang 1993, Redakteurin der Hamburger „Zeit“, spricht aus eigener Erfahrung: Sie ist das Kind zweier Langzeitarbeitsloser aus dem Ruhrgebiet. Ihr Buch ist eine geradezu energische und entschiedene Streitschrift gegen Bedrückung und Scham, Trauer und Peinlichkeit. Mayr möchte, dass niemand unter die Räder kommt, dass man nicht einfach hinnimmt, was einem angetan wird. Derlei ist wichtig, freilich verweist es einmal mehr auf den Umstand, dass die Objekte der Sprache zugeführt werden müssen, aber noch immer nicht selbst sprechen (dürfen). „Ich schreibe dieses Buch, nicht meine Eltern“, so die Autorin. „Ich will verstehen, warum meine Eltern arbeitslos sein mussten und warum ich darunter leiden musste.“ Das persönliche Schicksal ist stets präsent, drängt sich aber trotzdem nicht in den Vordergrund. Abwertung wird konstatiert, aber nicht akzeptiert. Ganz kategorisch hält sie fest: „Ich komme nicht aus dem Sumpf.“

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