Am Herd

Einsames Leuchten

Weihnachtsbeleuchtung in der Rotenturmstraße
Weihnachtsbeleuchtung in der Rotenturmstraße(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Immer schon fand ich die Weihnachtsbeleuchtung zu wuchtig für die Rotenturmstraße, zu protzig, zu ungetüm. Heuer wirkt sie außerdem einsam, als hätte jemand vergessen, das Licht auszuschalten.

Im Beserlpark ums Eck spielen die Kinder. Sie haben Mützen auf und sind dick vermummt, so laufen sie und schaukeln sie und klettern die Rutsche hinauf, ihr Lieblingsspiel, denn einfach runterrutschen kann schließlich jeder. Ich habe sie vermisst im ersten Lockdown, da schlang sich ein rotweißrotes Absperrband um die hüfthohen Parktüren. Eintritt verboten.

Spielen im Freien erlaubt, das haben wir gelernt in den letzten Monaten. Und auch sonst ist diesmal manches leichter. Keine Streifenpolizei kontrolliert im Prater, ob die Spazierenden auch genügend Abstand einhalten, am Donaukanal ertüchtigen sich ungestört die jungen Männer, machen Klimmzüge und dehnen ihre Muskeln, schweigend, in sich versunken.

Und in den Straßen gehen die Menschen ihrer Wege, sie besorgen nach der Arbeit noch schnell das Nötigste, schieben ihre Kinderwägen über die Gehsteige, eilen wohin auch immer. Weniger als sonst sind unterwegs, aber doch genug, dass ich mir einbilden kann, alles sei normal. Die Kälte hilft dabei. Die Dunkelheit. Da zieht man sich doch gern zurück, da bleibt man gern zu Hause, bei Tee und Musik, statt durch die Stadt zu flanieren. Keine verlassenen Schanigärten rufen mir diesmal ins Gedächtnis, dass die Cafés und Restaurants geschlossen haben, und wenn ich spätnachmittags an den beleuchteten Geschäften vorbeigehe, dann kann ich mir einreden, es sei nach Ladenschluss, klar haben sie zu, die Sonne ist schließlich längst untergegangen.


Punsch, Kerzen und Langos. Wäre da nicht die Weihnachtsbeleuchtung. Immer habe ich mich darüber gefreut, wenn die Stadt im November ihr Festtagskleid überwarf, rot und weiß und gelb funkelte es in den Einkaufsstraßen, Sterne und Glocken und Kugeln aus Hunderten kleinen Lämpchen. Heuer reagiere ich gereizt. Vielleicht, weil sie mich erinnern? Dass eben nicht alles normal ist? Sonst um diese Zeit drängen sich kauflustige Wiener und neugierige Touristen unter diesen Lichtern, die Öfen der Maronistandler glühen, die ersten Christkindlmärkte haben schon geöffnet, dort riecht es nach Punsch, Kerzen und Langos. Auf dem Rathausplatz beleuchtet der Herzerlbaum die schlittschuhfahrenden Paare, das ist schön und ein bissl kitschig.

Immer schon fand ich die Weihnachtskugeln zu wuchtig für die schmale Rotenturmstraße, zu protzig, zu rot, zu ungetüm. Heuer wirken sie außerdem einsam, als hätte jemand vergessen, das Licht auszuschalten, ein hell erleuchteter Luster in einem Ballsaal, in dem keiner mehr tanzt.

Und das ist ein bissl traurig. ⫻

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2020)

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