Budget

Deutschland will 160 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen

Olaf Scholz.
Olaf Scholz.(c) REUTERS (POOL)
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Ursprünglich hatte der deutsche Finanzminister 96 Milliarden Euro neue Schulden für das kommende Jahr geplant.

Berlin/Wien. Ade schwarze Null. Schon der ehemalige Finanzminister Deutschlands Wolfgang Schäuble (CDU) biss sich daran die Zähne aus. Auch sein Nachfolger Olaf Scholz (SPD) war mit dieser Vision im Frühjahr an die Öffentlichkeit getreten. Nun plant der Vizekanzler für das kommende Jahr weit mehr neue Schulden als bisher bekannt. Die Nettokreditaufnahme für 2021 wird sich auf etwas mehr als 160 Milliarden Euro statt der zunächst geplanten rund 96 Milliarden Euro belaufen, heißt es laut der Nachrichtenagentur Bloomberg, die sich auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen bezieht.

Ohne Überraschung machen vor allem die Maßnahmen zur Bewältigung der Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung. Zudem würden für 2020 eingeplante Ausgaben in das nächste Jahr verschoben. Die für dieses Jahr bewilligte Neuverschuldung von 218 Milliarden Euro werde voraussichtlich bei weitem nicht ausgeschöpft, sagte ein Vertreter der Koalition zur Nachrichtenagentur Reuters.

Sechs Mrd. Eigenkapital für die Bahn

Die Mehrausgaben listete das Finanzministerium in der am Sonntag an die Haushaltspolitiker des Bundestages verschickten Vorlage für ihre am Donnerstag beginnende Bereinigungssitzung auf. Auf 262 Seiten sind in dem Papier die Anpassungen für alle Ministerien beziffert. Eine Gesamtsumme für die Neuverschuldung enthält das Papier nicht. Das Finanzministerium in Berlin wollte sich nicht äußern, sondern verwies auf das laufende parlamentarische Verfahren zum Haushalt.

Der Haushaltsausschuss legt in seiner Sitzung von Donnerstag auf Freitag letzte Hand an den Etatentwurf 2021. An einer Stelle der Koalition hieß es, die Neuverschuldung werde zwischen 160 und 166 Milliarden Euro betragen. Im Vergleich zur Vorlage von Scholz würden voraussichtlich noch einige Vorsorgetitel aufgelöst und die Zinsausgaben etwas geringer angesetzt. Die Vorlage für die Haushälter enthalte auch sechs Milliarden Euro Eigenkapital für die Bahn, sagte ein Koalitionsvertreter. Das Geld sei für heuer vorgesehen gewesen, aber nicht abgeflossen. Der Vorsorgetitel für coronabedingte Maßnahmen wie etwa Impfstoffe sei um zehn Milliarden Euro erhöht worden, hieß es in der Koalition.

Beim Wirtschaftsministerium werde als Ergebnis des Autogipfels ein Zukunftsfonds mit einer Milliarde Euro ausgestattet. Das Auswärtige Amt erhalte rund 170 Millionen Euro mehr für humanitäre Hilfe. Das Arbeitsministerium bekomme 750 Millionen Euro mehr für Arbeitsmarktausgaben wie Hartz IV. Vizefraktionschef Christian Dürr (FDP) warf der Koalition vor, der Entwurf stehe für viel Bürokratie und immer höhere Schulden. „Das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen“, erklärte Dürr. „Wir können die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht dauerhaft mit Schulden am Laufen halten.“

Laut Eurostat wies Deutschland im zweiten Quartal diesen Jahres einen öffentlichen Schuldenberg in Höhe von 2,27 Billionen Euro auf. Österreichs Schulden beliefen sich zuletzt auf 316 Milliarden Euro. Allerdings machen die Eindämmungsmaßnahmen sowie die politischen Reaktionen, die in einem erhöhten Finanzierungsbedarf zum Tragen kamen, allen Euro-Staaten zu schaffen. Im zweiten Quartal 2020 haben alle EU-Mitgliedsstaaten im Vergleich zum ersten Quartal eine höhere Verschuldungsquote (Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) verzeichnet. Die Quoten stiegen am stärksten in Zypern, Frankreich und Italien. In Österreich lag die Quote bei 82,6 Prozent. Die Verschuldungsquote im gesamten Euroraum stieg von 86,3 Prozent auf 95,1 Prozent. (mad./ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2020)

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