Real-Life-Studie

Lungenkarzinom-Behandlung möglichst lange ohne Chemotherapie

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Jahrzehntelang schlechte Chancen für die Patienten haben sich durch zielgerichtete und immunologische Therapien für einen Teil der Betroffenen deutlich verbessert.

Pro Jahr sterben in Österreich rund 4000 Menschen an einem Lungenkarzinom. "Mit neuen Medikamenten können wir bei bestimmten Tumorarten die Überlebenszeit durch immer mehr Therapiesequenzen deutlich verlängern", erklärte jetzt Pneumologe und Onkologe Max Hochmair (Klinik Floridsdorf) gegenüber der APA.

Hochmair und ein Wissenschafter- und Autorenteam einer ganzen Reihe von österreichischen Spitälern und Forschungseinrichtungen haben jetzt in "Pharmaceuticals" eine Real-Life-Studie publiziert, in der sie die Erfahrungen in der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinomen mit bestimmten genetischen Veränderungen (ALK- und ROS1-Genmutationen im Tumor) analysierten. "Es ging darum, zu bestimmen, wie gut eine Behandlung mit dem zielgerichteten Medikament Lorlatinib beim Einsatz nach zwei oder mehr anderen Therapievarianten noch wirkt", sagte Hochmair.

Etwa fünf Prozent der Lungenkarzinome weisen das Merkmal von ALK-Mutationen auf. Zwischen 0,5 und 1,0 Prozent haben wiederum ROS1-Mutationen. "Das sind Patienten, die zumeist nie geraucht haben und in relativ jungem Alter erkranken", betonte der Onkologe. Das Problem liegt darin, dass die Krankheit für eine potenziell heilende Therapie, vor allem durch chirurgischen Eingriff im Frühstadium, zumeist viel zu spät diagnostiziert wird: Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Entdeckung eines Lungenkarzinoms im Stadium I liegt bei 77 bis 91 Prozent, im Stadium IV nur noch bei fünf Prozent. In Österreich werden derzeit ohne etabliertes Screening 76 Prozent der Lungenkarzinome im Stadium III oder IV entdeckt, das bedeutet eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von zehn bzw. drei Prozent.

Medikamentöse Therapie

Für diese Patienten kommt eine medikamentöse Therapie infrage. Bei ALK- und/oder ROS1-positiven Tumoren sind das – ähnlich wie bei EGFR-mutierten Karzinomen – bestimmte Arzneimittel, die allein in diesen Fällen wirken. Bei ALK-mutierten Karzinomen gibt es hier Substanzen wie Crizotinib, Ceritinib, Alectinib, Brigantinib und jetzt, als Arzneimittel dieser Klasse in dritter Generation: Lorlatinib. Für die Behandlung von ROS1-mutierten Karzinomen sind drei dieser Substanzen zugelassen.

Hochmair: "Mit der Zeit verlieren diese Substanzen aber jeweils ihre Wirksamkeit. Man wechselt daher von einem der Medikamente zum nächsten. In unserer Studie werteten wir den Behandlungserfolg mit Lorlatinib bei 51 Patienten aus, welche dieses Medikament nach zwei oder mehr solcher Therapien in Folge bekommen hatten."

Die Beobachtungsdauer in der Studie zwischen Jänner 2016 und Mai 2020 betrug im Durchschnitt 25,3 Monate. "Im Mittel wurden die Patienten mit ALK-positivem Karzinom 4,4 Monate mit Lorlatinib behandelt, hingegen 12,2 Monate lang, wenn es sich um ROS1-mutierte Tumore handelte. Die Ansprechrate bei den ALK-positiven Karzinomen betrug 43,2 Prozent, bei den ROS1-positiven Karzinomen hingegen sogar 85,7 Prozent", sagte Hochmair.

So zum Beispiel sprachen immerhin noch 54 Prozent jener Patienten unter der dritten Therapiefolge an, die zuvor schon zwei ähnliche Behandlungen mit zwei anderen der zielgerichteten Medikamente erhalten hatten. "Wir schaffen es damit, die Zeit bis zu einer deutlich mehr belastenden Chemotherapie erheblich zu verlängern", betonte Hochmair.

Neue Verfahren

Was noch nicht bekannt ist: Niemand weiß derzeit, ob man beispielsweise gleich von Beginn an das offenbar wirksamere Lorlatinib verwenden sollte – und eventuell bei Versagen dann auf eines der früheren Medikamente zurückgreifen kann – oder nicht. Die Resistenz der Karzinome gegen die zielgerichteten Therapeutika basiert auf dem Aufkommen von Tumorzellen, welche durch Mutationen gegen das Therapeutikum unempfindlich geworden sind und das Karzinom wieder wachsen lassen. Erst neue Verfahren in der Pathologie mit wiederholten Biopsien oder der Analyse von Tumor-DNA aus dem Blut könnten dazu führen, dass die zielgerichtete medikamentöse Therapie bei Tumorerkrankungen strikt Tumor-Genom-abhängig durchgeführt werden könnte.

Im New England Journal ist erst am Donnerstag vergangene Woche eine Wirksamkeitsstudie mit 296 Patienten und einem ALK-positiven nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom erschienen, die als erste medikamentöse Therapie entweder Crizotinib oder Lorlatinib erhalten hatten. Nach zwölf Monaten lebten in der Lorlatinib-Gruppe noch 78 Prozent der Behandelten ohne Fortschreiten der Erkrankung, in der Crizontinib-Gruppe waren es 39 Prozent. Der Unterschied war statistisch signifikant. 76 Prozent der Patienten sprachen auf die Behandlung mit dem neueren Medikament an, hingegen 58 Prozent unter der Behandlung mit Crizotinib. Doch auch diese Studie beantwortet nicht die Frage nach der optimalen Sequenz dieser Therapien.

(APA)

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