Zwei Pflegekräfte in Wiener Krankenhäusern berichten über die aktuelle Lage im zweiten Lockdown, über fehlende Anerkennung - und über ihren beruflichen Alltag.
Geschichten des Jahres. Dieser Artikel ist am 23. November 2020 erschienen.
„Die mit Abstand größte Sorge in den Spitälern Österreichs ist jene bezüglich einer Personalknappheit – und sie ist höchst berechtigt“, schreibt Köksal Baltaci in einem Text über die Auslastung in den Spitälern. Wenn man von verfügbaren Intensivbetten spricht, geht es in erster Linie nämlich um verfügbare Ärzte und Pflegekräfte. Beatmungsgeräte können aufgestockt werden, doch diese können nur speziell ausgebildete Intensivmediziner bedienen, außerdem benötigt es diplomierte Pflegekräfte mit Spezialausbildung. Diese waren schon vor der Krise knapp, seit dem ersten Lockdown im März wurde kaum Personal rekrutiert, positive Fälle unter den Mitarbeitern verschärfen die Personalknappheit zusätzlich.
Was sagen heute jene Menschen, die seit acht Monaten auf den Intensivstationen um das Leben von schwer an Covid-19 Erkrankten kämpfen? Eine Pflegerin und ein Pfleger aus Wien haben sich entschieden, in der „Presse“ anonym über ihre persönlichen Erfahrungen und die Lage in den Krankenhäusern zu berichten. Ihre Namen und Arbeitsplätze sind der Redaktion bekannt.
„Das Virus hat uns voll im Griff“, schreibt der Autor des ersten Beitrags. „Wir sehen jeden Tag, was mit den Menschen passiert, die es erwischt. Junge Menschen oder Kollegen, die an eine Lungenmaschine müssen, weil sie sonst sterben würden. Menschen, die es elendig dahinrafft.“ Er merkt an, dass die Einordnung in der Statistik nicht der Realität auf den Stationen entspricht: „In den Medien hört man nur von den Covid-Betten. Nach rund 14 Tagen werden Patienten und Patientinnen zu Non-Covid-Fällen und liegen meist ebenfalls noch Wochen auf der Intensivstation.“ Hinzu komme natürlich der Regelbetrieb: „Herzinfarkt und Co. will auch behandelt werden. Wie? Wo? Wer?"
»"Niemand der geht, kommt wieder zurück."«
Ein Pfleger aus Wien
Schon seit Jahren kämpfe man um bessere Arbeitsbedingungen und um mehr Personal. Viele würden aus dem Job gehen: „Eine Diplomierte Krankenpflegeperson verbleibt durchschnittlich sechs Jahre im Beruf. Geringe Bezahlung angesichts der Verantwortung, Schichtdienste, Personalknappheit, extreme Arbeitssituationen, hoher Stresslevel sowie fehlende Wertschätzung innerhalb des Systems lassen viele gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen frustriert aussteigen. Niemand der geht, kommt wieder zurück."
Aktuell herrsche Chaos in den Krankenhäusern: „Personal wird panisch von der Führungsebene hin und her verschifft. Pflegerinnen und Pfleger von einer chirurgischen Ambulanz müssen plötzlich auf einer Intensivstation arbeiten, ohne eine Ausbildung dafür zu haben. Personal von eilig geschlossenen Intensivstationen (welche schnell wieder öffnen mussten) wird ohne Rücksicht auf Alter und persönliches Risiko auf Covid-Stationen versetzt.“
Der Autor schreibt, zu Beginn der Coronakrise habe es in den Spitälern eine Art Aufbruchstimmung gegeben, diese sei gänzlich verflogen - und um die Gesundheit des Personal mache sich in der Führungsebene ohnehin niemand Sorgen. Seine abschließenden Worte: „November 2020. Der zweite Lockdown. Ich schaue aus dem Fenster, es ist 18 Uhr. Niemand klatscht. Denn das Licht am Ende des Tunnels gibt es derzeit nicht – wir irren in der Finsternis dem ungewissen Ausgang entgegen."
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Worüber in beiden Erfahrungsberichten zu lesen ist: Die Enttäuschung über fehlende Anerkennung. „Gefühle wie Wut, Zorn und Traurigkeit machen sich seit Monaten breit. Wir fühlen uns gänzlich unverstanden und allein gelassen“, schreibt eine Pflegerin, die auf einer Covid-Intensivstation arbeitet und ebenfalls anonym bleibt. „Das Jahr 2020 hat die Selbstverständlichkeit, mit der unser Berufsstand wahrgenommen wird, deutlich gemacht.“ Sie sei gerne Krankenschwester, schreibt die Autorin. „Es gehört zu meiner Tätigkeit einfach dazu, schwitzend stundenlang in einem Zimmer zu stehen, weil Intensivpatienten instabil werden. Auch Schutzausrüstung zu tragen.“ Covid-19 stelle das Personal aber vor ganz andere Herausforderungen.
»"Je jünger die Patienten sind, desto schwieriger wird der Umgang mit den Mitmenschen, die diese Krankheit leugnen."«
Eine Pflegerin aus Wien
Psychisch besonders belastend sei für sie vor allem, dass die Patienten auf der Intensivstation besonders belastend sei. Und noch etwas komme hinzu: Die Angst, selbst zum Virusträger innerhalb der Familie zu werden. Die Angst, die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Sie schreibt: „Ich kenne keinen Mitarbeiter unseres Berufsstandes, der mit dem Tod leichtfertig umgeht, und je jünger die Patienten sind, desto schwieriger wird der Umgang mit den Mitmenschen, die diese Krankheit leugnen oder sich an keine Empfehlungen oder Maßnahmen halten. Ich kenne leider keinen Weg, wie man diesen Menschen mitteilen kann, wie groß die Gefahr dieses Virus für jeden werden kann."
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(sk)