Mit wem Joe Biden regieren könnte

Joe Biden versprach früh im Wahlkampf, dass er der Vielfalt der US-Gesellschaft bei der Zusammenstellung seines Kabinetts Rechnung tragen würde: "Meine Regierung wird wie Amerika aussehen." Spekulationen über mögliche Kandidaten für wichtige Ministerien gibt es seit Wochen, mittlerweile stehen einige Postenbesetzungen fest. Bidens Kandidaten für die Ministerämter müssen allesamt vom Senat bestätigt werden.

Biden will seinen langjährigen Berater Antony Blinken (58) zum Chefdiplomaten der USA machen. Er ist als Befürworter multilateraler Zusammenarbeit bekannt.
Blinken, der während seiner Jugend mit der Familie in Paris lebte und dort seinen Schulabschluss machte, war von 2009 bis 2013 Nationaler Sicherheitsberater von Biden, als dieser Vize des damaligen Präsidenten Barack Obama war. Von 2015 bis 2017 war Blinken stellvertretender Außenminister.
Blinken hatte seine Karriere im Außenministerium während der Regierung von Bill Clinton begonnen. Biden will den unter Donald Trump eingeschlagenen außenpolitischen Kurs umkehren und Verbündete der USA wieder stärker einbeziehen.

Für den Posten des Heimatschutzministers hat Biden Alejandro Mayorkas (60) nominiert. Mayorkas wurde auf Kuba geboren, seine Eltern verließen das Land wenig später nach der Machtübernahme durch Fidel Castro.
Das Ministerium spielt eine zentrale Rolle unter anderem im Umgang mit illegaler Einwanderung an der Grenze zu Mexiko und mit Menschen, die sich ohne Papiere im Land aufhalten. Der aus dem Amt scheidende republikanische Präsident, Donald Trump, verfolgte eine harte Linie mit Blick auf die Zuwanderung.
Mayorkas war unter anderem Staatsanwalt in Kalifornien und während Obamas zweiter Amtszeit stellvertretender Heimatschutzminister.

Biden übernimmt eine wegen der Corona-Pandemie schwer angeschlagene Wirtschaft. Dem Finanzministerium wird bei der Bewältigung der Krise eine Schlüsselrolle zukommen. Die ehemalige Notenbankchefin Janet Yellen (74) soll die Führung des US-Finanzministeriums übernehmen.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin war von 2014 bis 2018 Präsidentin der US-Notenbank Federal Reserve. Im Oktober sprach sie sich dafür aus, die Coronakrise nicht nur geldpolitisch, sondern auch durch fiskalpolitische Stützungsmaßnahmen zu bekämpfen. Yellen gilt als Anhängerin der Theorien des Ökonomen John Maynard Keynes, nach denen Regierungen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung wirtschaftlicher Krisen zukommt - etwa durch höhere Staatsausgaben.
Dass Yellen die Fed gut kennt und vor allem gut mit ihrem Nachfolger, Jerome Powell, zusammenarbeiten kann, dürfte ein wesentlicher Pluspunkt für sie gewesen sein.

Auch an die Spitze des Pentagons könnte Biden erstmals eine Frau setzen: Michèle Flournoy (59; im Bild) wurde bereits 2014 als Favoritin für die Nachfolge des damals zurückgetretenen Verteidigungsministers, Chuck Hagel, gehandelt. Sie war Staatssekretärin im Pentagon und Beraterin der früheren Verteidigungsminister Robert Gates und Leon Panetta.
Über den Chefposten im Pentagon habe Biden aber noch nicht abschließend entschieden, berichtete "Politico" am Montag. Gehandelt wird auch Obamas ehemaliger Heimatschutzminister Jeh Johnsons (63). Der Jurist wäre der erste schwarze Verteidigungsminister der USA. Im Gespräch war auch die Irak-Veteranin und Senatorin Tammy Duckworth (52), die 2004 im Kriegseinsatz ihre Beine verlor.

Für das Justizministerium kommt eine ganze Reihe an Kandidaten infrage. Mit Doug Jones' (66; im Bild) Niederlage im Rennen um seinen Senatssitz ist es wahrscheinlicher geworden, dass ihn Biden für den Posten in Erwägung ziehen könnte.
Der Demokrat aus Alabama hat eine enge Beziehung zum gewählten Präsidenten und wäre eine glaubwürdige Figur, wenn es um Bürgerrechte geht. Seine Ermittlungen als Staatsanwalt in Alabama führten dazu, dass Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klans Jahrzehnte nach einem tödlichen Bombenanschlag auf eine von Schwarzen besuchte Kirche im Jahr 1963 zur Verantwortung gezogen wurden.
Als weitere Kandidaten für den Posten gelten Sally Yates, die wenige Tage nach Trumps Vereidigung im Jänner 2017 als amtierende US-Justizministerin entlassen wurde, der Vorsitzende der Bundespartei der Demokraten, Tom Perez, Sohn von Einwanderern aus der Dominikanischen Republik, und Xavier Becerra, der 2017 als erster Latino im Amt des kalifornischen Justizministers vereidigt wurde.

Die frühere Vizechefin des Geheimdienstes CIA, Avril Haines (51) könnte als erste Frau an der Spitze der Nachrichtendienste (Director of National Intelligence, DNI) die verschiedenen US-Geheimdienste koordinieren.

John Kerry (76) gilt als die größte Überraschung im außenpolitischen Team Joe Bidens. Der frühere Außenminister (2013 bis 2017) unter Barack Obama und langjährige Senator für den Bundesstaat Massachusetts soll sich als Sonderbeauftragter künftig um Klimafragen kümmern – ein Thema, dem sich der Biden-Freund in den vergangenen Jahren intensiv gewidmet hat. Auch Österreichs Bundeskanzler, Sebastian Kurz, begrüßte am Montagabend die Ernennung Kerrys.
Die Familie Kerry hat altösterreichisch-jüdische Wurzeln in Niederösterreich und Nordmähren. Als US-Außenminister weilte Kerry mehrmals, und 2015 auch wochenlang in Wien. Es war der "längste durchgängige Österreich-Aufenthalt eines US-Außenministers, den es je gab", betonte der österreichische Botschafter in Washington, Martin Weiss, unlängst.

Jake Sullivan (43) war ebenfalls Sicherheitsberater Bidens während dessen Zeit im Old Executive Office, dem Sitz des Vizepräsidenten. Künftig soll Sullivan als Nationaler Sicherheitsberater unter einem Präsidenten Biden fungieren. Er studierte in Yale und Oxford und hat den Ruf eines Strippenziehers hinter den Kulissen. Er war bei den Geheimverhandlungen dabei, die zum Abschluss des Atomdeals mit dem Iran 2015 führten. Sullivan war enger Mitarbeiter Hillary Clintons während ihrer Zeit als Außenministerin, ehe er in Bidens Team wechselte.