Coronavirus

"Gezwungene Freiwilligkeit" bei Massentests?

CROATIA-HEALTH-VIRUS
CROATIA-HEALTH-VIRUSAPA/AFP/DENIS LOVROVIC
  • Drucken

Grundsätzlich soll die Teilnahme bei Massentests freiwillig sein. Berufsgruppen wie Lehrer könnten aber dennoch Druck verspüren. Das Bildungsministerium will davon nichts wissen. Ein Contact Tracing soll es nach den Tests nur fallweise geben.

Die angekündigten Corona-Massentests stehen bevor. Dabei soll allerdings nur ein fallweise Contact Tracing stattfinden. Das sagte der Salzburger Landeshauptmannstellvertreter Christian Stöckl (ÖVP) im Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag nach dem Gespräch der Regierung mit den Landeshauptleuten am Montag. Auch Gesundheitsminister Anschober geht von diesem Vorgehen aus. Klar scheint Stöckl zufolge schon jetzt, dass ein Contact Tracing zumindest nicht verpflichtend sei - positive Fälle kämen in Quarantäne. Bei der Freiwilligkeit der Teilnahme sind aber offenbar noch nicht alle Fragen geklärt.

„Gezwungene Freiwilligkeit“ für Lehrer

So sagte Stöckl, die Testteilnahme sei "im Grunde genommen freiwillig". Jedoch würden "gewisse Personengruppen, gewisse Berufsgruppen, eine 'gewisse gezwungene Freiwilligkeit spüren'", so der Salzburger Landeshauptmannstellvertreter in Hinblick auf Berufe im Gesundheits- und Bildungsbereich oder im Kindergarten. Hier solle eine Verpflichtung da sein, zumindest jene, die man sich selber auflegt.

Unmittelbar zu einer Teilnahme gezwungen werden können Lehrer, Beamte, Krankenschwestern und Ärzten auch nach Ansicht des Verfassungsjuristen Heinz Mayer derzeit nicht. "Ich kenne - zumindest im öffentlichen Bereich - keine Bestimmung, nach der ein Beamter gezwungen werden kann, einen solchen Test zu machen", sagte Mayer am Dienstag. Allerdings hätten etwa Schuldirektoren sehr wohl Möglichkeiten, Druck auszuüben.

Die Leitungsbefugnis eines Schuldirektors gebe diesem etwa die Möglichkeit, bei der Lehrfächerverteilung oder bei der Vergabe von Überstunden darauf Bedacht zu nehmen, "dass der Betreffende ein gewisses Risiko mit sich bringt". Da beispielsweise niemand einen Anspruch darauf habe, Überstunden zu machen oder bestimmte Fächer oder Klassen zu unterrichten, könne der Direktor "da schon gestalten", so Mayer. Was nicht ohne weiteres möglich sei, sei, jemanden zu versetzen.

Bildungsministerium: Kein Druck auf Pädagogen

Dem widersprach das Bildungsministerium am Dienstag. Es werde keine dienstrechtlichen Konsequenzen geben, wenn sich Lehrer nicht testen lassen, und auch kein Druck auf diese Pädagogen ausgeübt werden, versicherte Generalsekretär des Bildungsministeriums, Martin Netzer, im Ö1-Mittagsjournal. Allerdings könnte es für sie eine Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken geben, um ihre Umgebung zu schützen.

Auch ÖVP-Klubchef August Wöginger hob die Freiwilligkeit bei der Teilnahme an Massentests hervor. Zwar seien noch nicht alle Details geklärt, "da laufen die Gespräche, wie das letzten Endes abgewickelt werden soll", sagte Wöginger am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien - aber auch bei Lehrern, Kindergartenpädagogen oder Polizisten könnten die Tests nur freiwillig sein. "Es kann aus meiner Sicht gar nicht anders sein“.

Eine Verpflichtung, sich testen zu lassen, könne man durch ein Gesetz festlegen. "Da sehe ich keine verfassungsrechtlichen Probleme." Allerdings wäre das wohl eher nur für einzelne Gruppen wie Ärzte, Krankenpfleger, Polizisten oder Lehrer möglich. Es würde sich zwar um einen Eingriff ins Privatleben handeln, dieser dürfte aber nach Artikel 8 der Menschenrechtskonvention gerechtfertigt sein. "Die gesamte Bevölkerung zu zwingen, sich testen zu lassen, wird nicht so leicht möglich sein." Bei den Lehrern bräuchte es aufgrund der unterschiedlichen Dienstrechte mehrere gesetzliche Regelungen.

Kaiser für „volle“ Freiwilligkeit

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) betonte im "Morgenjournal“ ebenfalls, dass die rechtlichen Grundvoraussetzungen für die Massentests noch geschaffen werden müssten. Zudem habe man einige Tage für die Vorbereitung verloren, da hätte man sich früher zusammensetzen müssen. In Sachen Freiwilligkeit übte Kaiser Kritik: "Ich habe schon gestern herausgehört, das Pädagogen, die den Test nicht wollen, vielleicht FFP2-Schutzmasken tragen müssen" - so etwas gehöre aber mit Betroffenen, Gewerkschaften, Personalvertretungen diskutiert. Wenn man den Begriff Freiwilligkeit verwende, solle dieser auch in vollem Ausmaß gelten.

Für Kaiser werde bei Verzicht auf Contact Tracing jedoch die Strategie zur Eindämmung der Pandemie relativiert. In Kärnten werde man die derzeit 300 Personen um 100 weitere aufstocken. Knapp sind die Ressourcen beim Contact Tracing in ganz Österreich ohnehin. Ein Online-Rechner der WHO geht von 13.000 notwendigen Personen mindestens aus, also dreimal so viel, wie es derzeit sind, hieß es im Ö1-"Morgenjournal" - maximal wären es aufgrund der aktuellen Lage in Österreich sogar bis zu 47.000 Personen, die für das Contact Tracing notwendig seien.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.