Prozess

Tödlicher Dachterrassensturz: Anwalt muss sich verantworten

Symbolbild: Akten im Gerichtssaal
Symbolbild: Akten im Gerichtssaal(c) Clemens Fabry, Presse
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Ein Wiener Rechtsanwalt ist 23 Meter in die Tiefe gestürzt und verstorben. Einem Anwaltskollegen wird nun vorgeworfen, ihn im Stich gelassen zu haben. Er plädiert auf "nicht schuldig".

In der Nacht auf den 15. August 2018 ist ein Wiener Rechtsanwalt von seiner Dachterrasse 23 Meter in die Tiefe gestürzt. Im Zusammenhang mit dem Tod des 35-Jährigen hat sich ein Anwaltskollege am Dienstag am Landesgericht für Strafsachen verantworten müssen. Die Anklage legte ihm Imstichlassen eines Verletzten zur Last.

Der Angeklagte - ein enger Freund des Verstorbenen - habe es unterlassen, jenem die erforderliche Hilfe zu leisten, nachdem er diesen an der Gesundheit geschädigt hätte, führte Staatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg eingangs der Verhandlung aus. Er habe dem Freund LSD überlassen, worauf dieser nach dem Konsum in einen "massiven Rauschzustand" mit "erheblichen Wahrnehmungsstörungen" verfallen sei. Dennoch habe der Angeklagte den vom Suchtgift Beeinträchtigten alleine mit einem Taxi nach Hause fahren lassen, wo dieser dann von der Terrasse in den Tod gestürzt sei, so der Vorwurf der Anklägerin.

Kritik an medialer "Hetzkampagne" 

Der Angeklagte bekannte sich "nicht schuldig". Sein Verteidiger Zaid Rauf geißelte eine mediale "Hetzkampagne" und eine "Stimmungsmache" gegen seinen Mandanten. Dabei habe sich dieser gar nicht am Unglücksort befunden. Der Vorwurf, er habe dem Freund "nachfahren" oder die Rettung rufen sollen, gehe ins Leere: "Dafür gab es nachweislich keinen Grund." Der unter tragischen Umständen ums Leben Gekommene sei zwar nicht an LSD, aber an Marihuana und Kokain gewöhnt gewesen, betonte Rauf.

Im Anschluss schilderte der Angeklagte - er wurde von der Rechtsanwaltskammer vorübergehend gesperrt, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, wobei dieses ursprünglich in Richtung fahrlässiger Tötung geführt wurde - ausführlich seine langjährige Freundschaft zu dem Verstorbenen sowie den verhängnisvollen Abend. Die beiden Juristen hatten sich während des Studiums kennengelernt. Es habe sich "eine intensive Freundschaft, die zugegebenermaßen sehr viel vom Feiern getragen war" entwickelt, gab der Angeklagte zu Protokoll. Der Freund sei ein erstklassiger Jurist mit einem messerscharfen Verstand ("Einer der intelligentesten Menschen, die ich je kennengelernt habe") gewesen. Zugleich habe er aber ein hohes "Feierbedürfnis" gehabt: "Er war sehr beliebt dafür, dass er - was das Partymachen angeht - ein Tier war. Ich hab' da nicht mithalten können."

Von Marihuana über Kokain und LSD

Dabei dürfte auch der Angeklagte kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. Wie er dem Richter freimütig darlegte, habe er "in der letzten Oberstufe" mit Marihuana begonnen, "in den frühen Studienjahren" auf Kokain umgesattelt und "ab 2007" auch mehrfach LSD konsumiert: "In Tröpfchenform, mit einer Pipette. Auf einem Stück Würfelzucker oder in einem kleinen Schnapsglas, aufgelöst in einem Glas Wasser". Zur Wirkung befragt, entgegnete der Angeklagte: "Jedes Mal ein voller Rausch." Kontrollverlust sei bei ihm aber keiner eingetreten, im Gegenteil: "Es war stets eine bereichernde, heilende Erfahrung." Das LSD habe seinen "künstlerischen Ausdruck" gesteigert, ihn in poetischer und philosophischer Hinsicht beflügelt: "Es war eine Bewusstseinserweiterung. Ich habe nie Halluzinationen oder einen Horror-Trip gehabt."

Sein Freund habe diese Erfahrungen teilen wollen und ihn wiederholt auf LSD angesprochen. Als sich die beiden am Abend des 14. August 2018 trafen, habe er ihm den Stoff, den er von einem Schweizer Künstler bezog, offeriert: "Er hat sich drauf gefreut." Man sei daher zu ihm nach Hause gefahren und habe gemeinsam einen Trip geschmissen, berichtete der Angeklagte. Zusätzlich habe er Xanax - ein Pharmazeutikum gegen Angstzustände und Depressionen - gereicht: "Das gewährt eine viel angenehmere Erfahrung des LSD." Nehme man beides gemeinsam, lasse sich die Wirkung mit einem großen Glas Wasser auf eine Flasche Wein vergleichen, "analysierte" der Rechtsanwalt.

Nach dem Genuss habe sich in seiner Wohnung eine ausgelassene Stimmung breitgemacht: "Wir waren spitzendrauf." Deshalb habe man sich entschlossen, zu einer Party am Stadtrand zu fahren. Dort angelangt, habe sein Freund "sehr ruhig, sehr entspannt" gewirkt, nach einer Unterhaltung mit südamerikanischen Frauen, die ihn "geneckt" hätten, aber plötzlich gehen wollen und sich in ein Taxi gesetzt. Um 23.38 Uhr habe er ihn angerufen: "Da war er daheim auf der Couch, hat geraucht und gesagt, wir sollen alle zu ihm feiern kommen." Wenig später habe er ihn ein zweites Mal angerufen: "Ich hab' ihm gesagt, dass er zurückkommen soll." Der Freund lehnte ab, habe stattdessen mit seiner Ex-Verlobten telefonieren wollen. Ein letztes Gespräch führten die beiden um 23.50 Uhr. "An den Gesprächsinhalt kann ich mich nicht mehr erinnern. Die LSD-Wirkung war bei mir auch schon sehr stark. Ich hatte das Gefühl, er war genervt. Ich bilde mir ein, dass er aufgelegt hat", berichtete der Angeklagte.

"Nicht im schlimmsten Albtraum habe ich daran gedacht"

Wenige Minuten danach war der auf Wirtschafts-, Kapitalmarkt- und Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwalt tot. "Nicht in meinem schlimmsten Albtraum habe ich daran gedacht, dass sich die Kombination LSD und Dachterrasse auswirken könnte", betonte der Angeklagte. Und weiter: "Ich hab' mir keine Sorgen gemacht. Er ist ja nicht auf einen Kran geklettert oder auf der A1 gelegen." Beim Abschied habe der Verstorbene "beeinträchtigt, rauschig, aber sicher nicht hilfsbedürftig" gewirkt, später am Telefon habe er sich "unbedenklich angehört. Er konnte mit Rausch umgehen". Er selbst sei daher in dieser Nacht "komplett sorglos nach Hause gefahren".

Als sich am folgenden Tag die Nachricht vom Tod des Juristen verbreitete, kam es zu einem Treffen des Freundeskreises mit der Familie des 35-Jährigen. Der Angeklagte habe sich dabei "in einem bejammernswerten Zustand" befunden, erinnerte sich der Vater des ums Leben Gekommenen als Zeuge: "Er hat sich Vorwürfe gemacht. Dass er ihn nicht allein lassen hätte sollen. Er hat stark emotional reagiert." Er habe Angst gehabt, "dass er Suizid begeht. Ich habe den Eindruck gehabt, dass er sich sehr schlecht gefühlt hat bei dieser Geschichte", gab der Vater seine Eindrücke wieder.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Neben weiteren Zeugen kommen dann auch zwei Sachverständige zu Wort.

(APA)

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