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Orbán nach Soros-Kommentar: "Brüssel scheint zu fallen"

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HUNGARY-HEALTH-VIRUS-ORBANAPA/AFP/ATTILA KISBENEDEK
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Nach einem Aufruf von Investor George Soros, die EU-Staaten mögen Ungarn und Polen in ihrer Blockadepolitik in die Schranken weisen, breitet Viktor Orbán seine Theorien über Soros aus.

Die Blockadehaltungen von Ungarn und Polen beim EU-Budget, das auch Gelder für die Bewältigung der Coronakrise beinhaltet, sorgen europaweit für Kritik - und für prominente Aufschreie. So auch von George Soros: Der aus Ungarn stammende US-Investor, der mit seinem Vermögen Bürgerrechtsbewegungen, Bildungsinstitutionen und politische Projekte unterstützt, wandte sich in einem Kommentar auf der Online-Meinungsplattform „Project Syndicate“ an die EU-Staaten. „(Ungarns Premier Viktor, Anm.) Orbán hat in Ungarn ein ausgeklügeltes kleptokratisches System aufgebaut, um dem Land auch noch das letzte Hemd zu rauben“, so Soros.>> Ungarns und Polens wahre Agenda [premium]

In Warschau ringen Premier und Justizminister um die Macht im Lager der Nationalpopulisten, in Budapest bedroht die EU-Reform den Zugriff Viktor Orbáns auf Brüsseler Fördergelder. Was ist es, das die Regierungen in Warschau und Budapest zu ihren aktuellen Haltungen im Streit um das EU-Budget treibt? „Presse“-EU-Redakteur Michael Laczynski schaut nach Polen, Brüssel-Korrespondent Oliver Grimm nach Ungarn.

Der Kommentar Soros' verleitete wiederum Orbán zu einer Replik, die am Mittwoch von der Pressestelle des Premiers verschickt wurde. „Der Kampf um das neue Brüsseler Reich bzw. der gegen es geführte Kampf ist noch nicht entschieden“, schreibt der ungarische Regierungschef: „Brüssel scheint zu fallen, doch ein Großteil der Nationalstaaten widersteht noch.“ Er stelle sich gegen „imperiale Bestrebungen“, hinter denen er ein „Soros-Netzwerk“ vermute.

Orbán wiederholt Verschwörungstheorien

Soros ist seit Jahren das von Orbán gewählte Feindbild: Der ungarische Rechts-Politiker nutzt den global aktiven Soros, um sich von diesem abzuheben und sich so zu profilieren. Im Zuge dessen verbreitete Orbán immer wieder Verschwörungstheorien über Soros; etwa, dass dieser die Flüchtlingskrise 2015 ausgelöst habe. Auch in dem aktuellen Brief spricht Orbán neuerlich von dem „Soros-Netzwerk“, dessen Ziel es sei, durch „Beschleunigung der Migration offene Gesellschaften mit gemischten Ethnien und Multikulturalismus zu erschaffen, die nationale Entscheidungsfindung abzubauen und diese in die Hände der globalen Elite zu übergeben“, so der Regierungschef Ungarns.

Seit Wochen nun schon blockieren Ungarn und Polen den Beschluss des EU-Budgets, in dem auch Gelder für die Bewältigung der Coronakrise für die Mitgliedsländer stecken. Warum? Die Gelder sind an eine Rechtsstaatlichkeitsklausel geknüpft. Die Ablehnung dieser Verpflichtung zur Rechtsstaatlichkeit aus den beiden EU-Ländern hat unterschiedliche Motive. Einerseits kommt sie aus innenpolitischen Überlegungen heraus - in Polen etwa gibt es einen Konflikt innerhalb der Regierungspartei, PiS, und nach einem Urteil des von der PiS kontrollierten Verfassungsgerichts gegen Abtreibungen die größten Proteste seit 1989.

„Ungarische Oligarchie“ 

In Ungarn hat der Regierungschef andererseits persönlich nicht viel Interesse an einem freien Handeln der Justiz. Orbán ließ nahe Verwandte und Freunde von Staatsaufträgen profitieren; Ermittlungen gegen Orbáns Schwiegersohn, von der EU-Antikorruptionsbehörde initiiert, verliefen im Sand. Beobachter sprechen von einer „ungarischen Oligarchie“ - eine, die sich ideologisch bewusst gegen die Werte der Aufklärung stellt.

Soros hat in seinem Artikel jedenfalls Anregungen für die EU-Mitgliedsstaaten, wie diese mit Ungarn und Polen umgehen sollten. Die EU solle die Blockade der beiden Länder umgehen, indem man das aktuelle Budget einfach jährlich verlängere, so Soros. Nachdem die Bindung an die Rechtsstaatlichkeit bereits beschlossen ist, würden die beiden Staaten um ihre Fördermittel umfallen.

Von der Leyen: „Schwer vorstellbar“ 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief am Mittwoch Polen und Ungarn zudem dazu auf, ihre Haltung zu ändern und einzulenken. Der Rechtsstaatsmechanismus sei „angemessen, verhältnismäßig und notwendig“, so die deutsche Politikerin. „Es ist schwer vorstellbar, dass irgendjemand in Europa etwas dagegen haben könnte.“

Wenn doch, solle sich die Partei an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wenden - anstelle die Coronahilfen für Millionen von Menschen zu blockieren, „auch in Polen und Ungarn“.

(Red.)

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